Hand in Hand in eine neue Normalität

handtastic - Hilfe für Dysmelie betroffene Menschen im Familienmagazin

Mein Name ist Steffi. Ich bin leidenschaftliche Mutter, berufstätig und Gründerin der Initiative handtastic („hand“ + „fantastic“). Zusammen mit meiner Schwester habe ich das Projekt auf die Beine gestellt, weil mein jüngster Sohn mit einer kleinen, nicht vollständig ausgebildeten rechten Hand (Dysmelie) auf die Welt kam. Unsere Familie war nicht darauf vorbereitet, denn kein Arzt erkannte vor der Geburt die „kleine Hand“ auf dem Ultraschall. Die Situation überforderte uns und warf mich und meinen Mann aus der Bahn.

Im Krankenhaus und auch in der Zeit danach fühlte ich mich hilflos und hatte so viele Fragen, Sorgen und Ängste. Rückblickend hätte ich mir bereits im Krankenhaus nach der Geburt Unterstützung und Aufklärung gewünscht.

handtastic - Hilfe für Dysmelie betroffene Menschen im Familienmagazin

Deutschsprachige Hilfe über die sozialen Netzwerke

Bei eigenen Recherchen bin ich in sozialen Netzwerken auf viele interessante Selbsthilfegruppen und Internetseiten gestoßen, in der hunderte, ja tausende Mitglieder tagtäglich im Austausch stehen und Erfahrungen ihres Alltags miteinander teilen. Auffällig war allerdings, dass der größte Teil der Internetseiten und Selbsthilfegruppen aus dem englischsprachigen Ausland stammt und es in den deutschsprachigen Ländern keine vergleichbare Gemeinschaft auf digitaler Ebene gibt.

Für mich gab es damals aus der Schockstarre nur eine Richtung, und zwar die nach vorne. Mein Herzensprojekt handtastic war geboren! Mit unserer Initiative möchten wir möglichst viele betroffene Menschen und Familien erreichen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen, die Themen Dysmelie, Amputationen und Prothesen in der Gesellschaft noch sichtbarer machen, Erfahrungsaustausch ermöglichen und ein Unterstützungsnetzwerk bilden.

handtastic - Hilfe für Dysmelie betroffene Menschen im Familienmagazin

Hilfe für Menschen die von Dysmelie betroffen sind

In regelmäßigen Posts auf unserer Homepage und Instagram stellen wir handtastic-Botschafter vor – Kinder und Erwachsene, die von Dysmelie oder Amputation betroffen sind und uns ihre Geschichte erzählen. Sie können als Vorbilder für Kinder und Jugendliche dienen, um diese hinsichtlich ihres Selbstbewusstseins für die Zukunft zu stärken.

Wir freuen uns über eure Kontaktaufnahme, jedes neue Mitglied und eure persönliche Geschichte. Zusammen sind wir handtastic!

Infokasten:

Zusammen sind wir handtastic!

Erfahre mehr über uns & unser Projekt auf www.handtastic.de oder Instagram: @handtastic_eu

oder via E-Mail: info@handtastic.de

Text und Foto: Familie Münnich

Hilfsmitteln für Kinder & Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen – R82

generationsübergreifend zusammen sein im Familien Magazin

R82 wurde, wie der Name schon andeutet, 1982 im dänischen Gedved gegründet. Aus den ersten Produkten, entwickelt und gebaut für ein Nachbarskind in den Privaträumen der Gründer, wurde schnell ein hoch spezialisiertes Unternehmen mit internationaler Präsenz und Tochtergesellschaften in Skandinavien, England, den Niederlanden, Italien, Australien und Deutschland. Seit der Unternehmensgründung steht die Marke R82 für außergewöhnliche Qualität, intelligentes Design und höchste Mobilität:

„Wir glauben, dass jeder in der Lage sein sollte, ein freies und unabhängiges Leben zu führen und seine Träume zu verwirklichen, ungeachtet aller physischen Umstände!“

Das breite Sortiment von R82

generationsübergreifend zusammen sein im Familien Magazin

Diese Einstellung hat R82 zu einem der weltweit führenden Hersteller für Hilfsmittel für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen gemacht.
Die R82-Produkte begleiten Kinder ab dem ersten Lebensjahr bis zum Erwachsenenalter aller Behinderungsgrade. Unser Sortiment umfasst die Bereiche Sitzen (Rehawagen und Buggys, Therapiestühle, modulare Sitzsysteme, Rollstühle und Sitzschalenuntergestelle), Stehen (Stehtrainer mit und ohne Schrägverstellung, mit Abduktionseinstellung zum aktiven Fortbewegen), Gehen (Posterior-Walker, Lauflernhilfen), Bad & Toilette (Dusch-Toiletten-Rollstühle, Badeliegen) sowie Transport (Autositz). Zusätzlich führen wir eine große Auswahl an universell verwendbarem Zubehör wie Kopfstützen und Therapietische.

Neuer Firmenname

R82 gehört seit 2011 zur Etac-Gruppe. Etac ist ein international führender Hersteller von ergonomischen Hilfsmitteln, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität unterstützen.

Zu den Produktmarken gehören neben R82 auch:

Convaid (Rehawagen und Buggys),

Molift (ergonomische Lifter, elektrische Hilfsmittel für den Transfer),

Immedia (benutzerfreundliche manuelle Transfer- und Umlagerungshilfen),

Star (innovative Sitzkissen mit Luftkammern für hervorragende Druckverteilung, Positionierung und Stabilität),

und Etac (anpassbare Rollstühle, Hilfsmittel für Bad & Toilette sowie Alltagshilfen).

Viele kennen mindestens eine unserer Produktmarken, sind sich aber unseres kompletten Angebots nicht bewusst. Indem wir unseren Namen in Etac ändern, machen wir einen ersten Schritt, um das Kennenlernen unseres Unternehmens zu erleichtern und eine Übersicht über unser gesamtes Angebot zu erhalten.

Wir laden Sie ein, sich auf unserer neuen Homepage www.etac.de selbst ein Bild von der unglaublichen Vielfalt unseres Angebotes zu machen und mehr über unsere Marken zu erfahren.

Hier finden Sie auch die Kontaktdaten Ihrer zuständigen Gebietsleiter, denn am gewohnt guten Service und der Möglichgeit, alle Produkte vor Ort mit Ihrem betreuenden Sanitätshaus oder Ihrer:Ihrem Therapeut:in auszuprobieren, hat sich nichts geändert.

Memo des Herausgebers Peter Lange zu Weihnachten

Weihnachtsgruß für Menschen mit und ohne Behinderung

ES WEIHNACHTET SEHR

Die Frau kümmert sich um Backofen und Herd.

Der Mann besorgt wie jedes Jahr den Tannenbaum –

wie jedes Jahr.

Der Baum soll von schönem Bewuchs sein und nicht schief.

Seine Zweige müssen gleichmäßig sein,

der Stamm gerade und nicht krumm –

so wie die Bäume auszusehen haben.

Niemand mag einen Baum, der nicht der Norm entspricht,

aber vielleicht ist es das, was einen Baum ausmacht –

Zweige, die nicht gerade wachsen, vielleicht möchten

sie mal den Boden berühren oder das saftige Gras unter seinen Nadeln spüren,

Äste die mal länger sind, weil sie vielleicht den Nachbarn streicheln wollen.

Sein Stamm kann nicht gerade wachsen, weil es ihm wichtig ist, sich zu bücken, wenn er mit den

Blumen und kleineren Bäumen spricht – man hat sich ja so viel zu erzählen.

Ich denke, wir Menschen sind auch nicht alle gleich und mir sind die am liebsten, die nicht der Norm

entsprechen, sondern sich so entwickeln, wie sie wollen – wie mein Baum.

Weihnachtsgruß für Menschen mit und ohne Behinderung

Gott liebt bestimmt die schiefen Bäume mehr, weil man sie nicht so beachtet.

Ich liebe jeden Baum ohne Unterschied und Menschen, die nicht der Norm entsprechen.

FRÖHLICHE WEIHNACHTEN

Text: Peter Lange 

Foto: pexels.com, pixabay.com

Eine bewegliche Hand dank Legosteinchen

Armprothese Beweglichkeit trotz Behinderung

Mit fünf Jahren spielte David Aguilar erstmals mit Lego, damals ließen ihn die Spielzeugsteine vergessen, dass er keinen Unterarm hatte. Vier Jahre später baute der Junge aus Andorra mit Legoteilen seine erste Prothese. Inzwischen ist Aguilar 22 und hat mit seiner Prothese das Leben eines Achtjährigen in Frankreich umgekrempelt, der unter einer ähnlichen Behinderung leidet. Und er träumt von mehr.

Aguilar wurde wegen des Poland-Syndroms – einer seltenen Brustfehlbildung – ohne rechten Unterarm geboren. Nun will er Kindern helfen, die wie er mit einer Behinderung auf die Welt gekommen sind.

Der 22-jährige Biotechnik-Student ist ein vielbeschäftigter Mann. Neben seinem Studium in Barcelona, das vor dem Abschluss steht, hält er Motivationsreden, hat ein Buch geschrieben und an einer Innovationskonferenz der US-Raumfahrtbehörde NASA teilgenommen.

Der Weg dahin war lang.

„Als Jugendlicher habe ich weiter mit Lego gespielt, weil es mir eine Zuflucht vor den täglichen Hänseleien bot“, erzählt er in seinem Studentenwohnheim. In dieser Zeit richtete er einen YouTube-Kanal ein, auf dem er sich „Hand Solo“ nannte – in Anspielung auf den Schmuggler-Helden Han Solo aus den „Star Wars“-Filmen.

Im Laufe der Jahre entwickelte David Aguilar seine Kunstfertigkeit mit Lego weiter, und mit 17 Jahren baute er mit Legosteinen eine voll funktionsfähige Prothese, mit der er seine ersten Liegestütze auf zwei Armen machen konnte. Seither hat er seine Technik immer weiter verfeinert: Seine jüngste Version, MK5, hat lange hellblaue Finger, die Aguilar mit Hilfe seines Stumpfes und eines Systems aus motorisierten Rollen aktiviert.

Trotz Armprothese Mobilität mitBehinderung

Da er sich an ein Leben ohne Unterarm gewöhnt hat, kommt Aguilar tagelang auch ohne Prothese aus. Doch viele Menschen sind täglich auf sie angewiesen, und die neuesten Modelle können tausende Euro kosten.

„Nach dem Bau meiner ersten Prothese habe ich mir gedacht, dass ich anderen Menschen helfen könnte“, sagt er. Als er sich dann im Spiegel mit zwei Armen sah, habe sich das Gefühl noch verstärkt.

2017 wurde Aguilar für die erste funktionierende Lego-Armprothese ins „Guinness Buch der Rekorde“ aufgenommen, seine Geschichte verbreitete sich schnell. Anfang 2021 las Zaure Bektemissova aus Straßburg im Internet von dem jungen Erfinder und beschloss, ihn per E-Mail um Hilfe zu bitten: Ihr Sohn Beknur war ohne Arme zur Welt gekommen, und eine normale Prothese kam für ihn nicht infrage.

„Bei Prothesen gibt es meist nur Standardmodele, die sind groß und schwer. Das ist schlecht für seine Wirbelsäule“, sagt Bektemissova. Aguilar versprach, eine Prothese für Beknur zu bauen. Ende August dann fuhr Bektemissova mit ihrem achtjährigen Sohn die 1300 Kilometer in die Pyrenäen, um sie in Empfang zu nehmen.

Das leichte, vollständig aus Lego gefertigte Teil hat am Ende einen zangenartigen Greifarm, den Beknur mit einer an seinem linken Fuß befestigten Schnur steuern kann. „Jetzt kann ich Dinge mit meiner Hand greifen, das konnte ich vorher nicht“, erzählt der Junge begeistert, während er seinem Bruder einen Ball zuwirft. Auch seine Mutter ist glücklich: „Er kann damit viele Dinge tun, das hat ihm viel Selbstvertrauen gegeben.“

Aguilar denkt bereits an weitere Projekte: „Wenn ich es für Beknur getan habe, warum nicht auch für andere Jungen oder Mädchen, denen ein Arm oder ein Bein oder ein Fuß fehlt?“

Text: Rosa Sulleiro & Julien Senel © Agence France- Presse 

Bild:Pau Barrena

Young Carers – Allein im Pflegedschungel?

Unterstützung für junge Pflegende

young carers junge Pflegekräfte

Junge pflegende Angehörige oder junge Menschen mit Pflegeverantwortung  – kurz JUMP. Es gibt sehr viele Begriffe, die diese Gruppe bezeichnen. Im englisch sprachigen Raum unterscheidet man weiter zwischen young carers, Kinder oder Jugendlichen, die pflegen und young adult carers, jungen erwachsene Pflegende, die sich um andere Familienmitglieder kümmern. Hierzulande ist noch sehr selten von dieser Personengruppe die Rede, wenn es um Angehörigenpflege geht.

Doch es handelt sich um keine geringe Zahl von Betroffenen – allein 225 000 minderjährige pflegende Angehörige gibt es aktuell in Deutschland, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.

Doch junge Pflegende nehmen sich selbst oft nicht wahr als pflegende Angehörige. Viele denken sie packen einfach mit an, weil beispielsweise die Mutter erkrankt ist, der Opa nicht mehr allein zurecht kommt oder ein Geschwisterkind mit Behinderung Betreuung benötigt. Durch das fehlende Selbstverständnis, wissen Sie oft auch nicht, dass Ihnen eigentlich Unterstützung und Entlastung zusteht. Je nachdem, wie alt die betreffende Person ist oder welche Erkrankung oder Behinderung vorliegt, gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten. Auch welche Art von Pflegebedürftigkeit besteht, ist sehr wichtig, um zu überlegen, welche Hilfe die passende ist. Neben akuten Fällen, die plötzlich z.B. durch einen Unfall oder gesundheitlichen Vorfall, wie einen Schlaganfall oder akute schwere Erkrankung entstehen, können auch fortschreitende Krankheiten und Behinderungen zu einer Pflegebedürftigkeit führen. Aber eine psychische Erkrankung oder Suchterkrankung kann zum Verlust der Selbstständigkeit eines führen. Zusammengefasst – einfach alle Fälle, bei denen sich ein Familienmitglied sich nicht (mehr) um sich selbst und seine Aufgaben kümmern kann.

Die Art des pflegerischen Bedarfs kann dabei ebenfalls sehr unterschiedlich sein. Viele assoziieren mit Pflege immer noch klassische Tätigkeiten der Körperpflege oder Versorgung, wie das waschen des Körpers, Essen geben oder das Wechseln von Inkontinenzartikeln, wie man sie vor allem in der Seniorenpflege kennt. Dabei umfasst Pflege viel mehr als das: Auch das große Feld der Sorgearbeit, mit Aufgaben wie zum Beispiel Termine vereinbaren, Medikamente bestellen, Post erledigen, zu Ärzten begleiten, gehört mit hinein. Dazu kommen häufig noch weitere Aspekte der Carearbeit von Aufräumen, Einkaufen, Kleiderpflege, Kochen, bis Putzen, die ebenfalls von diesen jungen Menschen oft zu großen Teilen übernommen werden. Wenn diese Pflegetätigkeiten von den young carers neben der Schule, Ausbildung der oder bei young adult careres neben ihrer Berufstätigkeit geleistet werden, kommen sie selbst häufig zu kurz geraten über die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Zeit für Freizeit,  Freunde oder Erholung bleibt so kaum. Besonders hart trifft es Kindern oder Jugendliche von Alleinerziehenden, da sie dann oft nahezu alle Aufgaben übernehmen. Häufig haben sie Angst haben, dass wie, wenn es nach außen dringt, vielleicht in eine Betreuungseinrichtung oder die Eltern gegen ihren Willen in eine stationäre Pflegeeinrichtung müssen. Doch es gilt das Recht auf Selbstbestimmung und Wahl des Wohnorts. Deshalb ist es ganz wichtig, solche Ängste zu nehmen und den jungen Pflegenden Unterstützungsmöglichkeiten zu zeigen, die es gibt.

Young Carer Anna Kaltenbach

Grundsätze für junge pflegende Angehörige

Die Pflegeexpertin Anna Kaltenbach, die selbst junge pflegende Angehörige ist, warnt vor falschen Glaubenssätzen, die weit verbreitet sind und stellt diese richtig:

„Das ist jetzt meine Aufgabe als Sohn, Mutter, Enkel…und ich muss die Pflege alleine auf mich nehmen“ – Nein! Ihr müsst da nicht alleine durch, es gibt Unterstützung, die man in Anspruch nehmen sollte. Auch wenn ihr der pflegebedürftigen Person sehr nahe steht, weil sie zu Beispiel eure Vater, Kind oder Oma ist – traut euch Hilfe anzunehmen.

„Es ist peinlich und ein Zeichen von Schwäche, wenn ich von der Situation zu Hause überfordert bin.“  – Falsch, im Gegenteil: Es zeigt viel Verantwortungsbewusstsein, wenn man sich Unterstützung holt. Pflege ist ein hochkomplexes Thema. Setzt euch mit Profis wie dem Sozialen Dienst in der Klinik oder einer Pflegeberatungs- oder EUTB-Stelle an eurem Wohnort zusammen, gerade in Akutsituationen, um die grundliegenden Dinge zu organisieren oder wenn es deutlich ist, das eine Verschlechterung ansteht.

„Ich muss die alltägliche Pflege übernehmen, es ist peinlich, wenn ich es nicht selbst hinbekomme, andere schaffen es ja auch.“ – Das stimmt nicht! Niemand muss sich schämen sich Hilfe zu holen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten von alltäglichen Beistand durch einen ambulanten Pflegedienst bis zu gelegentliche Unterstützung durch Optionen wie Entlastungsleistungen, Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege, die Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zustehen.

Tipp: Die wichtigsten Fachbegriffe zum Thema Pflege – wie bsw. Pflegerad, MDK-Begutachtung, Hilfsmittel, Verhinderungspflege, Entlastungsleistungen werden auf der regelmäßig aktualisierten Seite www.pflege-dschungel.de verständlich erklärt.

Gerade für Jugendliche oder junge Erwachsene, ist es schwer im Dschungel aus Rechten, Pflichten, die für Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige gelten, zurechtzufinden.

Unterstützung finden

Der erste Schritt ab dem Moment, in dem klar ist, dass eine schwere Erkrankung oder Behinderung vorliegt ist, dass man sich Hilfe sucht in einer Beratungsstelle.

Das kann entweder bereits im Krankenhaus sein, dort kann man zur Sprechstunde des Sozialen Dienst gehen oder ein Gespräch mit sozialpädagogischen Fachkräfte in Anspruch nehmen. Diese Expert*innen können helfen, die ersten umfassenden Formalitäten zu erledigen, wie Anträge für einen Pflegegrad und Schwerbehindertenausweis.

Wenn sich die Erkrankung oder die Problematik zu Hause unbemerkt oder langsam einstellt, kann man direkt in der Gemeinde vor Ort und Unterstützung bitten. Ansprechpartner sind  u.a. das Bürgerbüro im Rathaus, dort wissen die Mitarbeiter*innen wo es Pflegeberatungsstellen gibt. Eine unabhängige Pflegeberatung, wie sie beispielsweise in Pflegestützpunkten angeboten wird, ist kostenlos. Sie können dabei helfen einen Pflegedienst zu finden oder Anbieter von unterstützenden Leistungen im Alltag vermitteln. Neben der schweren Fachsprache der Pflegegesetze kommt erschwerend hinzu, dass sich die Regelungen oft in den verschiedenen Bundesländer unterscheiden. Daneben gibt auch die Möglichkeit, pflegebedürftige Personen zeitweise stationär unterzubringen in Kurzzeitpflegeeinrichtungen oder auch in Hospizen. Oft kennen sich diese Stellen aber vor allem mit älteren pflegebedürftigen Personen aus.

Für jüngere pflegbedürftige Personen gibt es weitere Ansprechpartner. Hilfestellungen können z.B. bei seltenen Erkrankungen oft auch Selbsthilfegruppen geben. Für Menschen mit Behinderungen jeden Alters sind auch die staatlich geförderten EUTB-Stellen zuständig. Sie gibt es in jeder größeren Stadt und bieten häufig auch Beratungen zuhause an. An diese Teilhabeberatungsstellen sind häufig auch noch Peerberatungsgruppen von Selbstbetroffenen angedockt. Diese kennen sich sehr gut aus mit den Rechten und Nachteilsausgleichen, die Menschen mit Behinderungen zustehen, wie beispielsweise vom Parkausweis bis hin zum persönlichen Budget, für die auch die Landratsämter Ansprechpartner sind, die aber nur teilweise beraten.

Dieser Bericht entstand im Austausch mit der gelernten Gesundheits- und Krankenpflegerin und Pflegewissenschaftlerin M. A.. Anna Kaltenbach aus Villingen-Schwenningen. Seit Juni 2021 ist sie als @junge_pflegende_angehoerige auf Instagram zu finden. Seit einiger Zeit hilft die 29-jährige ihrer Mutter ihre Oma zu Hause zu pflegen. Obwohl sie selbst mehrere Jahre auf Intensivstationen gearbeitet und sogar eine Masterabschluss in Pflegewissenschaft hat, war sie manchmal mit den Möglichkeiten überfordert und verwirrt, wo es denn Unterstützung gibt und was pflegenden Angehörigen zusteht. So entstand ihre Idee, jungen pflegenden Angehörigen auf einfachem Weg Unterstützung bei der Pflege zu Hause zu bieten.

Homepage: www.junge-pflegende-angehoerige.de

Wichtige Fachbegriffe für junge pflegende Angehörige

Elternassistenz / begleitete ElternschaftWenn Elternteile von minderjährigen Kindern schwer erkrankt oder behindert sind gibt können sie Elternassistenz oder begleitete Elternschaft in Anspruch nehmen. Das bedeutet, wenn die pflegebedürftige Mutter oder Vater vieles nicht mehr selbstständig bewältigen kann, hat sie das Recht, eine Assistenzkraft zu bekommen. Sie hilft ihr im Alltag um der Mutter- oder Vaterrolle nachkommen zu können. Das kann ganz praktisches sein wie Hilfe im Haushalt, bei der Kinderbetreuung, aber auch darüber hinaus gehen je nach Bedarf. (Das Gesetz ist unter § 78 Abs. 1, 3 SGB IX zu finden)

Young Carer im Umgang mit Alten Menschen
Vollmachten

Wenn eine Erkrankung fortschreitet und mit einer kognitiven Beeinträchtigung oder einem lebensbedrohlichen Verlauf zu rechnen ist, beispielsweise bei einer frühen Demenz oder Krebserkrankung, ist es ratsam frühzeitig eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Darin kann die pflegebedürftige Person, selbst bestimmen wer für sie, wenn es nötig wird, wichtige Entscheidungen treffen darf. Auch Finanzielles sollte bedacht werden, dazu kann eine extra Bankenvollmacht oder Generalvollmacht ausgestellt werden. Dazu beraten Rechtsanwälte oder Notare bei denen diese Schreiben aufzusetzen sind.

Rechtliche Betreuung

Liegt keine entsprechende Verfügung zur Vorsorge vor, kann eine außenstehende unabhängige Beratungsperson von einem Gericht bestellt werden. Gerade für junge Erwachsene mit Pflegeverantwortung ist es oft eine große Entlastung, wenn sie hier Hilfe erhalten durch eine kompetente Person wie eine sozialpädagogische Fachkraft und nicht all die mit der Pflege verbundene Bürokratie und Entscheidungen alleine bewältigen müssen.

Text: Verena Niethammer 

Foto: Privat, Pexels.com & Pixabay.com 

Quellen: behindertenbeauftragter.de, pflege.de

Umdenken beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für E- Mobilität gefordert

Menschen mit Behinderung sollen bei der E-Mobilität nicht vergessen werden -das fordert der Verband der Fahrzeugumrüster für mobilitätseingeschränkte Personen in Deutschland e.V. (VFMP). Er weist darauf hin, dass bei den derzeitigen Lösungen zum Laden von Elektroautors Belange von Menschen mit Behinderung und Senioren häufig nicht berücksichtigt werden. Mit dem Fokus auf die aktuell stattfindende Änderung des Marktes hin zu Elektromotoren fordert der Verband, bereits in dieser frühen Phase den Umbau von barrierefreien Infrastrukturen konsequent in Planung und Umsetzung zu bringen.

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Das Auto bietet Mobilität & Lebensqualität

Das Auto ist für viele Menschen mit Behinderung und/oder Menschen der Generation Plus ein unverzichtbarer Teil ihrer Mobilität und Lebensqualität. Durch den VFMP wurden Lösungen entwickelt, die es Menschen mit eingeschränkten Körperfunktionen ermöglichen sollen, mit dem Auto mobil zu bleiben. Möglichkeiten reichen hier vom sehr einfachen Umbau wie z. B. dem Lenkraddrehknopf oder Linksgas bis hin zu Hightech-Lösungen für Menschen, die keine Arme und Beine besitzen.

Neue Herausforderungen durch Umstellung auf E- Mobilität

Vor neue Herausforderungen wird die derzeit stattfindende Umstellung der Antriebstechnik von Verbrennungs- und Elektromotoren gestellt. Mithilfe innovativer Lösungen können Menschen mit Einschränkungen aber auch mit Elektroautos wie gewohnt mobil bleiben – jedenfalls solange sie das Auto nicht laden müssen. Bei dem Aufbau der Ladestruktur der Elektroautos wurden Menschen mit Einschränkungen bisher kaum berücksichtigt.

Die Ladesäulen sind in der Regel nicht mit Service verbunden, so dass von Einschränkungen betroffene Menschen hier auf Unterstützung angewiesen sind. Dies steht im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention und zum Bundesgleichstellungsgesetz.

Wenn Ladesäulen so konzipiert und aufgestellt werden würden, dass sie von mobilitätseingeschränkten Menschen erreicht werden könnten, wäre der Assistenzbedarf beim Laden des Elektroautos deutlich gesenkt. Momentan sind die Ladesäulen jedoch häufig auf Podeste oder Grünstreifen montiert und werden teilweise sogar durch Poller geschützt. Zudem stehen die Ladeplätze häufig so eng nebeneinander, dass beispielsweise Rollstuhlfahrer ihr Fahrzeug gar nicht verlassen können.

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Barrrierefreie Zugänge für Elektroautos

Elektroautos müssen künftig auch von Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt genutzt werden können. Dafür müssen ihre Anforderungen schon in der frühen Phase des Aufbaus einer Ladeinfrastrukur mitberücksichtigt werden. Die Rechtslage in Deutschland lässt keinen Zweifel daran, dass die Ladeinfrastruktur am Ende sowieso barrierefrei sein muss. Der VFMP ruft daher alle Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft auf, der Barrierefreiheit beim Aufbau einer Ladeinfraskruktur konsequent Priorität einzuräumen.

 

Quelle:

https://www.vfmp.de/vfmp-fordert-umdenken-beim-aufbau-der-ladeinfrastruktur/

VFMP e.V

Foto: pixabay.com

Lebensträume kennen kein Alter

Nach 40 Jahren zurück auf die Piste:

Hanseatin Ursula Sass (81) will es nochmal wissen

„Hut ab – die hat eine Goldmedaille verdient!“

Skifahren im Alter mit und ohne Behinderung

Skilehrer Heinz In-Albon grinst voller Bewunderung seine langjährige Schülerin Ursula Sass an. Vor 7 Jahren hat die rüstige Rentnerin beschlossen, sich wieder die Skier anzuschnallen und kehrt seither Jahr für Jahr auf die Bettmeralp in der Schweizer Aletsch Arena zurück. Mit von der Partie ist auch jedes Mal der „Skilehrer ihres Vertrauens“, Heinz In-Albon. „Der Heinz hat immer sehr viel Geduld mit mir“ strahlt die fitte Rentnerin, „auch, wenn mal etwas nicht auf Anhieb klappt“.

Als kleines Kind hatte Ursula Sass ihre ersten Erfahrungen auf winzigen Holzlatten gemacht und später dann nochmal, als ihre Tochter klein war. Dazwischen habe es sich halt leider nie ergeben und so stand die lebenslustige Frau aus Hamburg etwa 40 Jahren nicht mehr auf Skiern. Trotzdem sagte sie gerne zu, als ihre Tochter sie vor 7 Jahren zum Skiurlaub auf die Bettmeralp einlud. Einzige Bedingung: sie wolle einen persönlichen Skilehrer haben.

Dass ihr das Skifahren in dieser grandiosen Landschaft der Aletsch Arena aber gleich so viel Spaß macht, damit hätte die Hamburgerin wohl selber nicht gerechnet. Jeden Winter kehrt sie seither zurück auf die Bettmeralp, um wieder ein paar neue Schwünge dazuzulernen. Inzwischen sind sie und Skilehrer Heinz In-Albon ein eingespieltes und weithin bekanntes Duo, das voneinander viel lernt. Senioren zu unterrichten empfindet der 52-Jährige als „spannende Aufgabe“, der er sich mit viel Feingefühl und Geduld widmet. Sein oberstes Ziel ist es, der Schülerin die Freude am Skifahren zu vermitteln und die Angst zu nehmen.

Und ob es diesem Erfolgsduo geschuldet ist? Die Skischule Bettmeralp bietet inzwischen spezielle Kurse für Senioren an, bei denen besonderer Wert auf Sicherheit und Gelenkschonendes Fahren gelegt wird.  Getreu dem Motto: es ist nie zu spät, sich noch Träume zu erfüllen!

Skifahren im Alter mit und ohne Behinderung

Über die Region

Die Ruhe ist unbeschreiblich auf dem sonnigen, autofreien Hochplateau der Aletsch Arena – und die Naturkulisse unwirklich schön: Mitten im UNESCO-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch haben sich die urigen Bergdörfer Riederalp, Bettmeralp und Fiescheralp angesiedelt. Hier fährt man Ski statt Auto – letzteres wartet unten im Tal. Von der Haustür geht’s direkt auf die schneesicheren, weitläufigen Pisten, auf denen sich auch Familien mit Kindern gut aufgehoben fühlen – im Blick den 23 km langen Aletschgletscher und über 40 Viertausender. Oder man saust auf der Schlittelpiste von der Fiescheralp hinunter ins Tal!

Wer es lieber ruhig angehen lässt, der schnürt die Stiefel oder schnallt die Schneeschuhe an und stapft los zu magischen Kraftorten in der Bergeinsamkeit. Oder gondelt zu den View-Points Moosfluh, Bettmerhorn und Eggishorn, mit grandiosem Blick auf den imposanten, längsten Eisstrom der Alpen.

In der Aletsch Arena erwarten Sie 104 bestens präparierte Pistenkilometer und 36 Lifte.

Darüber hinaus gibt es 72 km gut ausgebaute Winterwanderwege und 14 km beschilderte Schneeschuh-Trails. Die Wintersaison geht noch bis 18.04.2020

Skifahren im Alter mit und ohne Behinderung
Gletscherfreundliche Anreise

Wir alle wissen, dass der Gletscher durch den Klimawandel bedroht ist. 2090 wird es, so haben Forscher berechnet, nur noch einige kleine Reste des heute noch so eindrucksvollen Aletschgletschers geben – wenn die Erderwärmung fortschreitet wie bisher. Die autofreie Aletsch Arena eignet sich bestens für eine Anreise mit Bus und Bahn: Der Zielbahnhof liegt direkt im Bergbahn-Gebäude. Die Deutsche Bahn fährt ab 18,90 Euro in die Schweiz. Ab Zürich geht es dann komfortabel und gletscherfreundlich weiter mit den Schweizer Bahnen.

Mehr Informationen unter: www.aletscharena.ch

Text: Pressemeldung C.C. SCHMID, Foto: (c)mengis media-daniel berchtold

Ich bin genug. Sendepause für den inneren Kritiker

„Du bist genug!“ Wer sagt sich so etwas aus vollem Herzen nach einem langen Tag? Oder vielleicht einem kurzen, an dem man wieder völlig k. o. neben dem Kind eingeschlafen ist. Den ganzen Tag herumgerannt und Sachen erledigt, doch die Wäschekörbe sind noch immer voll, die Küche nicht aufgeräumt. Für Sport hat die Energie nicht gereicht. Wie viele Stapel im Büro sind wieder liegen geblieben. Wer klopft sich schon selbst wertschätzend auf die Schulter und lobt sich: „Das hast du gut gemacht!“ Wohl die wenigsten von uns.

Pflegende Eltern – Spagat zwischen Glorifizierung & Selbstkasteiung

Entspannung für Eltern von Kindern mit Behinderung

Wir gehen viel zu hart mit uns ins Gericht, haben auch das Gefühl, dass wir nicht mithalten können. Gerade pflegende Eltern werden sehr oft von anderen glorifiziert. Da heißt es: „Ihr macht es so toll!“ Dabei hat man selber gar nicht das Gefühl, das unbedingt besonders gut zu machen, sondern nur einem Minimum seiner nötigen Pflicht nachzukommen. So wie andere die Kinder zum Turnen oder Musikunterricht bringen, geht es bei uns zur Therapie und zu den Untersuchungen. Natürlich schwebt über uns immer noch ein Mehr – Verantwortung, Ängste, Teilhabekämpfe. Aber das macht einen noch lange nicht zum Helden, das kostet nur viel Kraft. Aber welches Kind kostet keine Kraft? Und unsere lieben Kleinen haben auch ihren Kopf und wollen, dass wir uns nach ihnen richten.

Doch da ist doch vor allem diese eine Sache: diese Vergleiche mit anderen – ob mit einem Kind mit Behinderung oder ohne –, Social-Media-Profile, die saubere, stylische Wohnungen und kreative DIY-Projekte von engagierten Eltern zeigen. Und im WhatsApp-Status sieht man ständig tolle Bastelarbeiten und Familienausflüge. Bei unseren Kids kommen noch neue Therapien oder Rehas, Sensorikspiele dazu – Dinge, die man alles machen könnte. So schaffen wir uns den zusätzlichen Druck gegenseitig und oft auch selbst. Manchmal werden Forderungen auch direkt ausgesprochen: „Habt ihr das noch nicht probiert?“, „Ich koche ja immer frisch und nehmen nichts Fertiges“, „Also möchte mich ja ganz auf mein Kind konzentrieren und nicht arbeiten gehen!“ – oder gerade andersrum.

Den inneren Kritiker besänftigen

Ruhephasen für Eltern von Kindern mit Behinderung

Irgendwie ist alles ausgerichtet auf Selbstmarketing, das nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Obwohl uns das bewusst ist, bleibt doch oft das Gefühl, die anderen kriegen das viel besser hin – mit den Kids, der (Care-)Arbeit, dem Alltag. Aber egal, wie viel Mühe wir uns geben, es wird immer Leute geben, denen man es nicht recht machen kann. Und es geht eben nicht jeden Tag, sich zum Spielen zu verabreden, wenn auch noch Physiotherapie und diverse Anträge zu bewältigen sind. Das wissen wir alles. Doch es ist schwer, den eigenen Kritiker zu zügeln und mit sich selbst irgendwie ins Reine zu kommen.

Es sind doch genug Aufgaben zu stemmen in dieser Rushhour des Lebens. Alles fliegt nur so dahin und trotzdem fühlt es sich so an, dass vieles zu kurz kommt – vor allem man selbst. Dann ist zumindest gut, wenn man lernt, beim Blick in den Spiegel gnädig zu sein. Anderen gegenüber ist man nachsichtiger: Das Kind hat eine schwierige Phase, der Partner auch viel um die Ohren. Allen verzeiht man leichter außer sich selbst, wenn wir es unseren eigenen zu hohen Ansprüchen wieder nicht recht machen können. Das sollte bei den To-do-Listen obendrüber stehen: Versuche, eigene Ziele realistischer zu gestalten und Vergleiche abzuschaffen. Tu nicht nach außen so, als wäre alles easy peasy, lass ungerechtfertigte Kritik abprallen – und ganz wichtig: Erteile dem eigenen inneren Kritiker, wenn er wieder loslegt, ein Redeverbot!“ Das ist mein aktuelles „Projekt“ und mit Sicherheit kein leichtes.

Text: Verena Niethammer

Foto: pexels.com

Delphin Therapie für Kinder mit Behinderung – Erfahrungsbericht

Wie sagt man so schön: Was lange währt wird endlich gut. Im August durften wir sie endlich erleben, die Delfine, die Therapie, die Magie und das ganze Drumherum.

Familienreise in die Karibik

Im Gepäck hatten wir viel Hoffnung, aber mindestens genauso viel Sorgen. Wird am Ende alles gut? Wird Lea sich darauf einlassen können? Wird sie durchhalten? Werden wir die Zeit auch genießen können? Die Reise von 18 Stunden hat Lea unerwartet gut gemeistert, ganz ohne Probleme und leider auch ohne Schlaf – zu aufgeregt und neugierig war sie. Gerne hätten wir manchmal ihre Gedanken lesen können. Lea kann nicht sprechen, aber ihr Blick war eindeutig: Wow! Wir haben uns ein paar Tage Zeit gelassen, um anzukommen, uns an das Klima und die Umgebung zu gewöhnen, bevor die Therapie begann. Es gab so viele „erste Male“ für Lea. Das erste Mal fliegen, das erste Mal im Karibischen Meer baden, das erste Mal riesige und bunte Fische im Wasser sehen, das erste Mal tropisches Klima … und überhaupt war es die erste Familienreise nur zu dritt.

Der erste Therapietag mit den Delfinen

Delphin Therapie für Menschen mit Behinderung

Alles war aufregend und spannend. Und dann kam der erste Therapietag. Wir konnten uns nicht vorstellen, wie sie reagieren würde. Eigentlich ist sie ein sehr offener Mensch, freut sich über Aufmerksamkeit und Gesellschaft. Aber sie kann auch komplett „zu machen“. Wenn sie herausgefordert wird, wenn es anstrengend wird, wenn sie nicht versteht oder nicht verstanden wird, oder wenn sie von Reizen, Situationswechsel oder Erwartungen überfordert ist.

Nun kam alles auf einmal: fremde Menschen, Abläufe, Umgebung, anstrengende Einheiten und die großen Tiere, die sie noch nie gesehen hat, außer in Film und Buch. Wir haben wirklich versucht offen für alles zu sein. Vielleicht geht sie nicht mit, vielleicht traut sie sich nicht ins Wasser, vielleicht weint sie, vielleicht auch nicht. Sie hat uns mal wieder überrascht. Als hätte sie nie was anderes gemacht, zog sie stolz mit ihrem Team los und hatte die Zeit ihres Lebens. Beeindruckt und beruhigt hat uns, wie schnell Lea Vertrauen fasste. Das war das oberste Ziel für die ersten Stunden. Lea soll Vertrauen haben, zu ihrem Team, zur Situation. Damit fiel eine große Last ab und wir konnten uns zurücklehnen, beobachten und genießen.

Geht das Therapiekonzept auf?

Während es bei anderen Therapiekonzepten oft ein Auf und Ab ist, ob ein Tag oder eine Session gut läuft oder nicht, zog sich in den zwei Wochen Delfintherapie die Motivation bis zum letzten Tag durch. Lea freute sich bereits am Morgen auf ihre Therapiezeit, auf ihre Zeit mit „Team Lea“. Mit jeder Einheit wuchs sie ein bisschen über sich hinaus. Natürlich wurde sie auch herausgefordert. Es gab auch Behandlungen, auf die sie gern verzichtet hätte. Es wurde einfühlsam ausprobiert was geht und dort angesetzt, wo Lea an ihre Grenzen kommt, ohne etwas zu erzwingen, mit viel Motivation, Spaß, Erfolgserlebnissen und Lob. Und nach jeder Einheit kam uns Lea freudestrahlend entgegen.

Alles richtig gemacht!

Text und Foto: Antje Hansen

Schnuppertag für Amputierten-Sportler – der „Talent Day“ von Anpfiff ins Leben

Zurzeit gibt es deutschlandweit drei Amputierten-Fußball-Teams: Anpfiff Hoffenheim, Fortuna Düsseldorf und eine Spielgemeinschaft Nord der Sportfreunde Braunschweig, des Hamburger SV und der Tennis Borussia Berlin. Bedenkt man, dass es vor noch gar nicht allzu langer Zeit keine einzige Mannschaft und kaum Strukturen gab, ist das eine ganze Menge. Schaut man sich jedoch die Zahlen der Menschen mit Amputation in Deutschland an – es sind knapp 60 000 –, so ist klar: Da geht noch mehr! Das findet zumindest der gemeinnützige Verein Anpfiff ins Leben, der sich der Amputierten- sowie der Jugendsportförderung verschrieben hat: In Sinsheim fand deshalb am 7. August der erste „Talent Day“ im Amputierten-Fußball statt, weitere folgen in Bremen und Koblenz.

Amputierten-Sportler finden den Sprung zurück ins Leben. Menschen mit Behinderungen haben die Möglichkeit durch Fußball zurück ins Leben zu finden.

Durch Fußball zurück ins Leben

Christian Heintz, Projektleiter „Amputierten-Fußball im Verein“ bei Anpfiff ins Leben, plante und organisierte den Tag im Voraus maßgeblich mit. Er spielt selbst Amputierten-Fußball und fährt mit der Nationalmannschaft im September nach Krakau zur Europameisterschaft. Christian weiß: „Fußball kann nach einem Schicksalsschlag helfen, zurück ins Leben zu finden. Deswegen laden wir heute alle dazu ein, es hier einmal auszuprobieren.“

Dieser Einladung folgten Teilnehmende aus ganz Süddeutschland. Im Sinsheimer Helmut-Gmelin-Stadion war es für die meisten dann der erste aktive Berührungspunkt mit der Sportart – unter ihnen auch Egon Michel: Er stammt aus Bayern und ist übers Internet auf die Angebote von Anpfiff Hoffenheim gestoßen: „Es macht total viel Spaß! Ich kann mir wirklich gut vorstellen, in Zukunft regelmäßig zu trainieren“, meint er begeistert. Auch ein paar Spieler von Anpfiff Hoffenheim gesellten sich zu der Runde, nahmen am bunten Tagesprogramm teil und konnten so ihre Erfahrungen mit den Neuen teilen.

Tagesprogramm der Amputierten- Fußballer

Los ging es morgens um 10 Uhr. Unter der Leitung von Trainer Arpad Huber gab es nach einer kurzen Begrüßung von Dietmar Pfähler, dem Ersten Vorsitzenden von Anpfiff ins Leben, eine erste zweistündige Trainingseinheit. Ziel des Tages war dabei vor allem eines: den Spaß an der Sportart vermitteln. Im Anschluss war dann beim gemeinsamen Mittagessen Zeit zum gegenseitigen Austausch. Auch hier konnten sich die Spieler von Anpfiff Hoffenheim mit ihrem Erfahrungsschatz einbringen und die eine oder andere Frage beantworten, bevor nachmittags noch einmal eine zweite Trainingseinheit folgte.

Inklusion in die Sportvereine

Vor Ort war auch Sven Wolf, Vizepräsident des Badischen Fußballverbands: „Gerade im Bereich Inklusion müssen wir in Zukunft einiges machen. Zum einen wollen wir natürlich die ‚Zweibeiner-Vereine‘ unterstützen und ermutigen, amputierte Sportler zu integrieren.“ Aber auch den Amputierten-Sport an sich gelte es weiterhin auszubauen und voranzutreiben. Christian Heintz setzt große Hoffnung in die Pläne des Fußballverbands. Im September startet die Amputierten-Fußball-Bundesliga mit den drei Teams aus Süd-, West- und Norddeutschland. Am Ende der Saison soll dann der erste deutsche Meister dieser Sportart gekrönt werden. Christian freut sich auf das neue Kapitel. Sein Traum: „Es wäre natürlich toll, wenn mit der Zeit weitere Teams dazukommen würden und wir so eine richtig große Liga aufbauen könnten.“ Die ersten Grundsteine dafür sind mit dem heutigen Tag nun schon einmal gelegt.

Am 20. November soll direkt der nächste Aktionstag folgen, dieses Mal im Indoor-Fußballpark in Urmitz nahe Koblenz. Eingeladen sind wieder alle interessierten Menschen mit Amputation oder Dysmelie, eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Christian Heintz und sein Team freuen sich über jede und jeden, die oder der Lust auf organisierten Vereinssport und etwas Neues hat. Anmeldungen nimmt er per Mail unter c.heintz@ail-ev.de entgegen. Nach dem Event sind alle noch auf einen Snack und ein Getränk zum gemeinsamen Austausch eingeladen.

 

Weitere Infos gibt es unter www.amputierten-fussball.de.

Text und Foto: Sophie Krischa & Anpfiff ins Leben