Schulunterricht zwischen Eichen, Buchen und Tannen

In der SRH Stephen-Hawking-Schule erfahren Schüler mit und ohne Körperbehinderung in der Waldpädagogik den Wald als schützenswerten Lebensraum.

Zusammen mit den Grundschülern aus der Waldpädagogik AG wandert Fachlehrerin Silvia Arnold durch den Neckargemünder Wald und sammelt Eicheln. „Die Natur ist für uns ein echtes Klassenzimmer, in dem Schüler direkt erleben können, wie Baumrinde sich anfühlt, eine Schnecke kriecht oder welche Spuren Rehe hinterlassen. Zum Glück ist der Wald nur ein paar Schritte von der Schule entfernt“, erklärt sie. Die gelernte Ergotherapeutin absolviert derzeit eine Ausbildung als Waldpädagogin. „Die Schüler sollen den Wald und ihre Umwelt mit allen Sinnen als schützenswert kennenlernen.“

Die Waldpädagogin arbeitet zukünftig an der SRH Stephen-Hawking-Schule, die alle Bildungsgänge von der Grundschule bis zum Gymnasium für Schüler mit und ohne Körperbehinderung abbildet, fächer- und bildungsgangübergreifend. „Wir vermitteln nicht nur Umweltbewusstsein, sondern ermöglichen es den Schülern auch, Unterrichtsinhalte in der Natur zu erleben“, erläutert Schulleiter Thomas Bohnert. Schüler aller Altersklassen profitieren von diesem Konzept. Während Grundschüler sich im Sachunterricht mit Tieren, Pflanzen und Jahreszeiten befassen, lernen die älteren Schüler in den Fächern Erdkunde, Biologie oder Mathematik Themen wie Holzproduktion und den CO2-Kreislauf am konkreten Beispiel im Wald kennen.

Die Grundschüler der Waldpädagogik AG begeben sich aktuell auf die Spuren der Eichhörnchen. An einer Tafel, die Silvia Arnold mit zwei Bändern zwischen zwei Bäumen aufgespannt hat, lernen sie deren Verhalten und Ernährungsgewohnheiten kennen. Im Anschluss suchen sie gemeinsam den perfekten Ort, um ihre gesammelten Eicheln wie die kleinen Nager zu verstecken. „Die Bewegung und Aktivitäten im Wald fördern auch die sozialen Kompetenzen der Kinder. Unsere körperbehinderten und nicht behinderten Kinder helfen sich gegenseitig. Ein Kind, welches Unterstützung beim Gehen benötigt, hat vielleicht die beste Idee, wo das perfekte Versteck für die Eicheln ist. So wächst ein Team zusammen und die Kinder übernehmen Verantwortung füreinander“, berichtet Silvia Arnold.

Das ganze Jahr über bietet sie den Unterricht im Wald an. So erleben die Schüler die Jahreszeiten und deren Auswirkungen auf die Natur hautnah. „Mir liegt es besonders am Herzen, den Kindern ein emotionales Bewusstsein für die Umwelt zu geben und sie das Leben in der Natur spüren zu lassen. Nur, wenn sie den Wald lieben und verstehen, gehen sie auch später achtsam und verantwortungsbewusst damit um.“

Weitere Informationen:
SRH Stephen-Hawking-Schule
Info.shs@srh.de
www.stephenhawkingschule.de

Celine zeigt’s allen!

Celine zeigt’s allen!

Arthrogryposis multiplex congenita, kurz AMC, ist ein Sammelbegriff für angeborene Gelenkkontrakturen, die unterschiedlich stark ausgeprägt an den Extremitätengelenken und der Wirbelsäule vorliegen. In den meisten Fällen sind sowohl Arme als auch Beine betroffen. Aufgrund der versteiften Gelenke kommt es oft zu massiven Bewegungseinschränkungen.

Die 17-jährige Celine lässt sich von ihrer Krankheit allerdings nicht bremsen und möchte trotz AMC alles ausprobieren, worauf sie Lust hat. Momentan bewirbt sich die Schülerin um einen Ausbildungsplatz zur Industriekauffrau. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit ihrer besten Freundin Marla beim Chillen am See oder beim Eisessen. Ihre Behinderung spielt dabei kaum eine Rolle.

Celines absolute Lieblingsbeschäftigung ist das Tischtennisspielen. Obwohl sie diese Sportart erst vor zwei Jahren für sich entdeckt hat, wird sie mittlerweile vom baden-württembergischen Landestrainer zu Höchstleistungen angetrieben. Celine ist so talentiert, dass sie dieses Jahr sogar deutsche Junioren-Vizemeisterin im Para-Tischtennis wurde.

Hier geht’s zum YouTube-Film „Sport mit AMC? Kein Problem!“: https://www.youtube.com/watch?v=CUqOSmkYO1s

Per Handantrieb die Hügel hoch

Per Handantrieb die Hügel hoch

Ob entspannt den Fluss entlang oder zackig die heimischen Hügel hoch: Auf ihrem Handbike von Hase Bikes hält Judith Knetsch locker mit, wenn ihre Familie einen Radausflug macht.

Judith Knetsch bewegt sich gern an der frischen Landluft, am liebsten zusammen mit Sohn Anton und Mann Dennis. „Das weckt in mir immer Freiheitsgefühle“, erzählt sie. Jeder, der schon mal dort war, weiß: Die Gegend um Wetzlar ist ziemlich hügelig. Für Freiheitsgefühle braucht man hier also ein bisschen Kraft. Manche Menschen verzichten wegen der Berge ganz aufs Fahrradfahren. Judith dagegen ist sogar mit Hand- statt Fußantrieb mobil. Vor drei Jahren verlor sie bei einem Unfall beide Beine. Ein heftiger Einschnitt im Leben der damals 40-Jährigen. Doch die moderne Medizintechnik kann heute vieles leisten. Mit Beinprothesen konnte sie ihren Beruf als Lehrerin an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung nach der Reha wiederaufnehmen. „Ich habe sehr schnell wieder stehen und gehen gelernt“, erzählt Judith. „Ich bin jemand, der gerne Herausforderungen anpackt.“ In der Reha lernte sie, wie wichtig Bewegung für die Heilung ist – auch für die psychische. „Und aus meinem Beruf wusste ich, dass es spezielle Trikes gibt, mit denen auch Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten mobil sein können.“ Zuerst testete Judith das Kettwiesel. Doch mit den Prothesen konnte sie nicht genug Kraft für die Berge in ihrer Region aufbringen. So entschied sie sich für ein Kettwiesel Handbike. Bei anderen Rädern mussten ihre Beine festgeschnallt werden. „Beim Kettwiesel gefällt mir besonders, dass ich so einfach ein- und aus-steigen kann und jederzeit die Möglichkeit habe abzusteigen, die Beine aus den Ablagen zu nehmen, den Handantrieb nach vorne zu klappen, auszusteigen. Ein sicheres Gefühl!“ Das hat sie auch auf schlechtem Untergrund, denn anders als übliche Handbikes hat das Kettwiesel einen Hinterradantrieb. Damit – und dank der E-Unterstützung – fährt sie jeden Berg hoch. „Ich bin flott unterwegs“, bestätigt Judith. Mittlerweile will sie das Rad auch nicht mehr missen: „Die Sitzhöhe ist zum Beispiel klasse – ich bin mit Anton fast auf Augenhöhe und kann gut mit ihm kommunizieren.“ Im Gegensatz zu Papa, der den Kleinen per Normalrad zieht. Auch Anton findet das Trike mit dem Liegesitz super. „Die Mami, die Mami!“, ruft er begeistert aus seinem Anhänger, sobald sie mit der Kraft der zwei Antriebe zum Überholen ansetzt oder einfach ein bisschen nebenherrollt. Das Handbike ist für Judith vor allem ein Freizeitgerät; gemeinsam an der Dill entlangrollen, zusammen die Natur erleben – das gefällt allen, fast jeden Tag. Judith kann sich sogar noch mehr vorstellen: „So eine Rennversion vom Kettwiesel, mit dem die Landschaft nur so an mir vorbeirauscht – das könnte mir auch noch Spaß machen!“, sagt sie mit einem Zwinkern und legt einen Zahn zu.

Mehr Infos unter www.hasebikes.com

Der Bratapfel

Der Bratapfel

Rezept:

4 Äpfel

30 Gramm Rosinen

150 Milliliter Apfelsaft oder Orangensaft

80 Gramm Marzipan

1 Teelöffel Zimt

Zubereitung

Die Äpfel waschen und abtrocknen. Nun sticht man mit einem Apfelausstecher ein Loch durch den Apfel. So wird das Kerngehäuse entfernt. Lasst euch am besten von einem Erwachsenen helfen. Die Rosinen in ca. 2 Esslöffeln vom Fruchtsaft einweichen. Den restlichen Saft zusammen mit 1 Esslöffel Zitronensaft in einen kleinen Topf geben und kurz aufkochen lassen. Marzipan in 4 Stücke teilen und in die Apfel-„Löcher“ drücken. Die eingeweichten Rosinen mit dem Zimt mischen und ebenfalls in die Äpfel füllen. Die gefüllten Äpfel in eine Auflaufform o.Ä. setzen. Mit der Saftmischung übergießen. Nun kommen die leckeren Äpfel ungefähr 20 Minuten bei 200 °C in den Backofen und – fertig!

Foto: pixabay.com

 

Helle und dunkle Tage … aber eigentlich mehr helle

Helle und dunkle Tage … aber eigentlich mehr helle

Vivien kam mit einem Amnionband-Syndrom zur Welt. Die so genannten Amnionbänder- oder stränge gehen während der frühen Schwangerschaft in der Gebärmutter von der Fruchthülle aus und verlaufen zwischen Fetus und den inneren Eihäuten. In manchen Fällen legen sie sich zum Beispiel um Arme oder Beine eines ungeborenen Kindes und schnüren dort die Blutzufuhr ab. Die Folge sind unterentwickelte oder gar amputierte Extremitäten. Bei Vivien fehlten der linke Unterschenkel und die Endkuppen zweier Finger; der rechte Fuß war ein Klumpfuß.

Schon an ihrem 3. Lebenstag musste Vivien das erste Mal operiert werden. Es folgten sieben Wochen Intensivfrühgeborenen-Station im Inkubator. Denn neben den angeborenen Fehlbildungen erblickte Vivi auch schon in der 33. Schwangerschaftswoche als Frühgeburt  das Licht der Welt. Für die Eltern Alexandra und Mirco gestaltete sich diese Situation nicht einfach. Obwohl Alexandra während der gesamten Schwangerschaft das Gefühl hatte, dass irgendetwas „nicht stimmt“, wurde ihr immer wieder versichert: „Alles in Ordnung!“ „Nach der Geburt sahen wir aber, dass eben nicht alles in Ordnung ist. Uns war schnell klar, dass wir möglichst offen und frei mit Vivis Handicap umgehen wollen!“, sagt Alexandra.

Trotz aller Widrigkeiten entwickelte sich Vivien altersgerecht und holte ihren Frühgeborenen-Status schnell auf. Mit 14 Monaten bekam sie ihre erste Unterschenkelprothese. Mirco erinnert sich: „Alles war damals sehr provisorisch. So konnte Vivien nur einen Schuh am „richtigen“ Fuß tragen. Die Größenverhältnisse hätten sonst nicht gestimmt. Aber wir waren glücklich, unsere Tochter erstmals stehen zu sehen!“

Vivien hingegen war zuerst eher unglücklich, weil „die These“, wie sie damals ihre Prothese nannte, sie störte. Aber schnell erkannte Vivi, dass man damit laufen kann. Und das geschah auf genau dieselbe Weise wie bei jedem anderen Kind in ihrem Alter: Zunächst lief sie seitwärts an den Möbeln entlang und dann frei. Und bald schon liebte Vivi ihre „These“ heiß und innig.

Als sie drei Jahre alt war, wollte sie plötzlich ihre Prothese nicht mehr tragen. Sie weinte und schmiss sie von sich. Für die Familie begann eine Odyssee von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik. In einer Universitätsklinik erkannte man zum Glück das Problem: Der Knochen wächst und drückt am Stumpf durch die Haut. Der Knochen wurde gekürzt und schon bald konnte Vivi ihre geliebte Prothese wieder tragen.

Leider tritt genau dieses Problem immer wieder auf und Vivien muss häufig operiert werden. Sie mag gar nicht im Krankenhaus sein und bis sie wieder mit der Prothese laufen kann, dauert es meist viel länger, als es Vivien lieb ist. Abgesehen von diesen Problemen entwickelt sich Vivi vollkommen normal. Alexandra lacht: „Ja, sie ist wie alle 9-Jährigen sehr zickig und vorpubertär!“

Wie es Vivi geht? Lest selbst:

Hallo, Soy Vivi. Das ist spanisch und heißt „Ich bin Vivi!“ Eigentlich heiße ich Vivien, aber alle nennen mich meist Vivi. Das dürft ihr  auch gern! Warum ich mich so vorstelle? Ich bin ein großer Fan von Soy Luna. Die kennt ihr vielleicht aus dem Fernsehen: Das Mädchen mit den Rollschuhen! Ob ich jemals so gut werde wie sie, weiß ich nicht, aber ich laufe super gern Rollschuh und kann es schon wirklich gut!

Seit eineinhalb Jahren habe ich eine kleine Schwester. Die heißt Shania. Sie ist sehr lieb; ich mag sie wirklich gern und passe oft auf sie auf. Manchmal wird mir das aber zu viel und dann muss sie einfach aus meinem Zimmer verschwinden. Weihnachten habe ich so wild mit Shania getobt, dass sie sich auf mich geschmissen hat und ich dann drei Tage mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus musste. Das war nicht so toll.

Na, ich liege auch sonst manchmal im Krankenhaus. Das gefällt mir – ehrlich gesagt – überhaupt nicht. Meist muss ich dann operiert werden. Das ist eigentlich nicht so schlimm, weil nur ein Knochen an meinem Bein nachwächst und dann gekürzt werden muss. Sonst kann ich meine Prothese nämlich nicht tragen. Das Gehen tut dann so furchtbar weh.

Meine Eltern erzählen, dass das früher sehr oft gemacht werden musste. Aber auch heute ist es mir viel zu oft. Meist einmal im Jahr. Dann bin ich ein paar Tage im Krankenhaus. Anschließend muss der Orthopädietechniker ganz viel an meiner Prothese herumschrauben und bauen, dass ich dann wenigstens im Rollstuhl in die Schule kann.

Ach ja, Schule: Ich gehe in die 3. Klasse. Was ich da mag? Ich mag sehr gern Englisch und Deutsch. Mathe aber gar nicht! Aber sonst ist es da richtig gut und ich habe viele Freundinnen und Freunde.

Neben dem Rollschuhfahren bin ich auch noch in einer Tanzgruppe und spiele Flöte. Da hatte ich in der Weihnachtszeit ganz viele Auftritte. Das brachte mir viel Spaß. Jetzt freue ich mich riesig auf meinen Auftritt mit der Tanzgruppe zum Fasching. Leider tut mein Bein gerade wieder weh und ich muss meine Prothese nach der Schule ausziehen. Na, ich ahne schon, dass ich wieder operiert werden muss. Drückt mir mal die Daumen, dass das noch bis nach Fasching warten kann.

Einmal im Jahr fahre ich mit den AMPU KIDS weg. Das sind ganz viele andere Kinder, die auch nur ein Bein, einen Arm oder sogar noch weniger haben. Die Tour macht immer viel Spaß, weil wir da ganz viele Sachen unternehmen, von denen andere Menschen denken, dass man die nicht ohne Arm oder Bein durchführen kann.

Wir waren sogar mal in einem Hochseilgarten. Dort bin ich an einem Seil 14 Meter hoch durch die Luft geschwungen. Es gab Jungs, die älter waren als ich, und die sich das nicht trauten. Meist wohnen wir dort in einer Jugendherberge in Schleswig-Holstein an einem großen See. Im letzten Jahr gab es dort ein großes Sport- und Spaßturnier mit einem Sportverein. Die Kinder dort wollten gar nicht glauben, was wir alles können! Aber sie fanden das toll. Nachdem sie zuerst ganz genau geguckt haben, was wir haben – oder was uns fehlt – haben wir alle zusammen gespielt und verschiedene Wettkämpfe gemacht. Insgesamt waren wir 70 Kinder. Meine Eltern sagten: „Gewonnen haben alle!“ Was genau sie damit meinen, weiß ich nicht. Aber ich bekam auf jeden Fall einen Pokal und eine richtig tolle Urkunde!

Ich freue mich schon wieder auf unser Treffen in diesem Mai und bin gespannt, was Andrea von den AMPU KIDS sich diesmal für uns ausgedacht hat.

So nun muss ich zum Tanzen. Tschüß!

Ein Beitrag von Andrea Vogt-Bolm

Ein Sportrollstuhl für Abdullah

„Aktion Kindertraum“ erfüllt Abdullah, einem Internatsschüler an der SRH Stephen-Hawking-Schule, einen Herzenswunsch für seine sportliche Karriere.

Abdullah hat ein Ziel: „Ich will unbedingt in der deutschen Nationalmannschaft spielen!“ Der 14-jährige Schüler der SRH Stephen-Hawking-Schule in Neckargemünd ist leidenschaftlicher Rollstuhlbasketballer. Dank der „Aktion Kindertraum“, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die  Herzenswünsche von kranken und benachteiligten Kindern erfüllt, kann er endlich auch in einem Sportrollstuhl spielen, der genau auf seine Bedürfnisse angepasst ist. „Ich freue mich, dass Abdullah von uns seinen speziell angepassten Sportrollstuhl bekommen hat. Uns ist es eine Herzensangelegenheit, Jugendliche in besonderen Lebenssituationen zu unterstützen“, sagt Projektleiterin Helga Berndmeyer.

Ursprünglich kommt Abdullah aus dem Irak. Mit vier Jahren ist er durch einen Bombenanschlag in Bagdad schwer verletzt worden und seitdem querschnittsgelähmt. Mit elf Jahren kam er allein nach Deutschland. Er lebt als unbegleiteter, minderjähriger Ausländer im Internat der SRH Stephen-Hawking-Schule und besucht dort die 8. Klasse der Werkrealschule. Abdullah liebt Comedy und ist beliebt bei seinen Mitschülern. Dass er mal woanders gelebt hat, merkt man nicht unbedingt.

Vor zwei Jahren hat das Sportangebot der SRH Stephen-Hawking-Schule sein Interesse am Rollstuhlbasketball geweckt. Die Privatschule versteht sich als Lern- und Lebensort für Menschen mit und ohne Körperbehinderung. Inklusiv ist nicht nur das Bildungsangebot. Auch die Freizeitaktivitäten sind darauf ausgelegt, alle Schüler unabhängig von der Schwere ihrer Körperbehinderung mit einzubinden. Durch die Kooperation der Schule mit dem Heidelberger Rollstuhlbasketballverein SGK Rolling Chocolates wurde Abdullah im Verein aktiv. Trainerin Christa Weber hat sein Talent sofort erkannt: „Er begreift total schnell. Als Teamplayer setzt er sich voll ein und gibt alles. Ich bin sehr froh, dass Abdullah geholfen wird ‑ wegen seines persönlichen Schicksals und seiner Begeisterung für den Sport.“ Auf dem Feld ist Abdullah als Flügelspieler für die Abwehr zuständig, gelegentlich wirft er auch selbst einen Korb. Doch wichtiger als sein Wurf ist ihm das Team, denn er weiß: „One team, one spirit. Ohne Teamwork wird das nichts!“

SRH Stephen-Hawking-Schule
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Eine Weihnachtsgeschichte in Ecuador

Eine Weihnachtsgeschichte in Ecuador

Juanito, kleiner Hans, wie ihn alle rufen, lebt am Rande von Quito, der Hauptstadt Ecuadors. Erst zehn Jahre alt, arbeitet er schon als Schuhputzer und hilft mit dem verdienten Geld seiner Familie.

Am Tag des Heiligen Abends fährt er morgens mit dem Bus in die Innenstadt. Den Holzkasten mit dem Schuhputzzeug hält er fest unter seinem Arm. Er hofft auf ein gutes Geschäft, denn er möchte bunte Zuckersachen für das heutige Fest kaufen.

Durch die Straßen schlendernd, sieht Juanito den Leuten auf die Schuhe und spricht sie freundlich an. Auch in den Cafés bietet er seine Dienste an. Da Juanito viele Schuhe putzt, bekommt er reichlich Trinkgeld. Bevor er in den Bus steigt, sucht er Süßigkeiten für den Abend aus. Gut gelaunt fährt er bis zum Markt, auf dem die Mutter und seine Schwester Dolores Sachen verkaufen. Gemeinsam bringen sie die unverkaufte Ware nach Hause. Während die Mutter einige Bündel zusammenpackt, versorgt Dolores die kleine Schwester und bindet sie mit dem Tragetuch auf ihren Rücken.

Kaum sind sie fertig, hupt es draußen. Es ist das Lastauto, das sie zu Vater bringen soll. Auf der hinteren Ladefläche stehen Leute, die auch keine andere Fahrmöglichkeit haben. Der Wagen fährt aus der Stadt hinaus in ländliches Gebiet. Ab und zu hält das Auto und Leute steigen aus.

Eine Frau fragt Mutter, wohin es geht. Sie erzählt stolz: „Mein Mann hat jetzt Arbeit. Er hilft beim Verkauf in einem Laden am Äquatorstein. Morgen zum Feiertag werden sicher viele Besucher kommen. Wir wollen dort Weihnachten feiern.“

Fast ohne Übergang wird es dunkel. Sie sind etwa zwanzig Kilometer weit gefahren, als das Auto für sie hält. Der Vater kommt ihnen mit einer Lampe entgegen, führt die Familie in einen kleinen Laden und sagt, dass sie hier schlafen würden. Danach geht er mit den großen Kindern nach draußen, zeigt auf eine markierte Linie am Boden und erklärt: „Das ist der Äquator, der unsere Erdkugel in eine nördliche und eine südliche Hälfte trennt.“

Darauf beleuchtet er das Denkmal. „Und dieser Stein soll erinnern, dass unser Land Ecuador nach dem Äquator benannt wurde.“

Juanito stellt sich über die Linie am Boden, sodass er mit einem Bein in der nördlichen und mit dem anderen in der südlichen Erdhälfte steht. Da lacht der Vater und sagt: „Genau so lassen sich hier die Touristen fotografieren.“

Als sie zurück in den Laden kommen, hat die Mutter das Baby versorgt und auf dem Boden die Schlafmatten verteilt. Sie unterhält sich mit einer Frau und zwei Männern, die auch hier in der Einsamkeit übernachten werden. Gemeinsam wollen sie den Heiligen Abend mit einem Mahl feiern.

Während Mutter die „Salchichas“, die kleinen Würstchen, Reis und Mais aus dem Bündel holt, sieht Juanito sich im Laden um. Da sind Ständer mit Postkarten, kleine Andenken aus Stein und Holz, Lederwaren, schön gewebte Decken, Ponchos und vieles mehr. Erst als ihm Essensgerüche in der Nase kitzeln, bemerkt er seinen großen Hunger und geht zu den anderen.

Der Nebenraum ist mit Kerzen erhellt. Eine Krippe ist aufgebaut. Neben sie legt Juanito die gekauften Süßigkeiten. Als er sie mit großer Geste anbietet, freuen sich alle, und Juanito lächelt stolz. Jetzt hat er Zeit, die Krippe genau zu betrachten: Im Hintergrund steht ein gemaltes Bild von Bethlehem, davor liegt das Christkind in einem aufgeschütteten Sandbettchen. Kleine Zweige stecken ringsherum im Sand. Das sollen Bäume sein. Eine Spiegelscherbe an der Seite soll einen See darstellen. Die Figuren sind Kinder in Landestrachten, ein Esel, Hirten, Maria, Josef und das Christkind. Sie sind aus Salzteig gebacken und farbig angemalt.

Nach dem Essen spielen die Männer auf ihren Flöten Weihnachtslieder, die Frauen und Kinder singen dazu. Auch Juanito versucht, auf Vaters Flöte zu spielen. Es klingt schon ganz gut. Da geht der ältere Mann nach draußen und kommt mit einer zweiten Flöte zurück. Er gibt sie Juanito und sagt: „Die schenke ich dir.“

Freudig überrascht bedankt sich Juanito. Eine eigene Flöte hat er sich schon lange gewünscht. Er beginnt sofort, darauf die Töne zu suchen. Die Nacht ist kalt geworden. Bevor sich die Kinder auf die Schlafmatten legen, wickeln sie sich fest in ihre Ponchos ein. Im Dunklen tastet Juanito nach seiner Flöte und sagt leise in den Raum hinein: „Das war ein schöner Heiliger Abend.“ Dolores antwortet ihm nicht. Sie ist sofort eingeschlafen.

Quelle: Rena Sack: Weihnachten in aller Welt
Fotos: Pixabay

Eine Schule in Kenia – eine Chance für Kinder

Rebecca Bader

Alter: 18
Herkunft: Deutschland, aus der Nähe von Hamburg
Wohnort: Kithyoko, Kenia

Seit Beginn 2018 arbeite ich als Freiwillige im MEDGO DEAR Center in Kithyoko, einem kleinen Örtchen ca. drei Autostunden östlich von Nairobi. Organisiert wird das Ganze vom ICJA e.V. und über das Programm „weltwärts“, das jährlich mehr als 3000 junge Menschen finanziell dabei unterstützt, einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen. Generell wird das Jahr als Lerndienst angesehen; das veraltete Bild eines weißen Missionars, der kommt, um armen Menschen zu helfen, soll ausradiert werden. Stattdessen wird auf interkulturelle Begegnungen und Verständnis auf einer Ebene gesetzt. Auch ich kann bestätigen, dass ich in diesem Jahr so viel mehr erhalten und gelernt als gegeben habe.

In Deutschland bin ich schon das eine oder andere Mal mit dem Thema Behinderung in Berührung gekommen, doch immer eher am Rande. Trotzdem gab ich in meiner Bewerbung aus einem Impuls heraus den Arbeitsbereich „Kinder mit Behinderung“ als meinen Wunschbereich an und dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Im Nachhinein weiß ich, dass es genau das Richtige war, da ich niemals mit dem Problem vieler Freiwilliger in Grundschulen oder Kindergärten konfrontiert wurde: Langeweile gibt es in dieser Schule nicht. Außerdem empfinde ich die Arbeit mit den Kindern als eine große Bereicherung. Ich bin natürlich keine Expertin geworden bin, aber dennoch habe ich viel über körperliche und mentale Behinderungen und deren Therapiemöglichkeiten gelernt.

Fast alle der durchschnittlich 30 Kinder, die hier betreut werden, haben mich ganz unvoreingenommen und freundlich aufgenommen und mir dadurch schnell ein Gefühl des Willkommenseins vermittelt. Da ich die zweite Langzeitfreiwillige in diesem Projekt bin, waren viele der Kinder schon etwas an weiße Gesichter gewöhnt. Trotzdem stellte ich einen bemerkenswerten Unterschied zu den kenianischen Kindern, die ich auf der Straße oder in anderen Schulen traf, fest. In vielen kleineren Orten ist es bei Kindern durchaus üblich, einer weißen Person nachzurufen oder sogar in die Haare zu fassen. Ein paar Mal habe ich auch erlebt, dass sehr kleine Kinder erschraken und weinend vor mir wegliefen. „Unsere“ Kinder dagegen scheinen sehr selten überhaupt einen Unterschied zu machen, was mich sehr positiv überraschte. Natürlich haben wir auch einige Kinder, die nur sehr eingeschränkt interagieren können, aber auch diejenigen mit leichter Behinderung scheinen sich über verschiedene Hautfarben keine Gedanken zu machen, sodass ich im Projekt fast nie mit Vorurteilen konfrontiert wurde.

Als ich realisierte, dass meine Zeit sich langsam dem Ende zuneigte, und mir überlegte, wie ich das Beste aus dieser übrigen Zeit machen könnte, da fiel mir auf, dass ich das ganze Jahr über mit den Kindern, den Lehrern, den Therapeuten und den Pflegern in Kontakt war, aber so gut wie nie mit den Eltern.

Da die Redaktion des Magazin Momo begeistert von meiner Idee war, machte ich mich daran, diese umzusetzen. Mithilfe von Alex Ndili, der die älteren Schüler in Mathematik und Kiswahili unterrichtet, meine Fragen in die lokale Sprache Kikamba übertrug und mir wiederum die Antworten der Eltern auf Englisch übersetzte, konnte ich zwei Mütter zu den unterschiedlichsten Dingen befragen. Vielleicht wird Ihnen nun also eine komplett neue und fremde Sichtweise präsentiert, vielleicht finden Sie sich jedoch in der ein oder anderen beschriebenen Situation selbst wieder und stellen fest, dass wir alle gar nicht so verschieden sind.

Mama Kamene

Alter: 34
Ort: Kyethani, Kitui County, Kenia
Familienverhältnisse: verheiratet, vier Kinder (11, 9, 5 und 3 Jahre alt)

Hallo Mama Kamene!

Kannst du uns deine Tochter Kamene vorstellen?
Kamene ist mein drittes Kind und fünf Jahre alt. Was war nochmal der genaue Name ihrer Krankheit? Ach ja, Zerebralparese. Ihre Arme und Beine sind steif und sie kann nicht sprechen. Seit einem Monat lebt sie jetzt im Internat MEDGO DEAR Center in Kithyoko.

Wann hast du von ihrer Behinderung erfahren? Wie hast du darauf reagiert?
Einen Tag nach ihrer Geburt haben uns die Ärzte im Krankenhaus die Diagnose gestellt. Ich hatte sehr viel Angst und ein schlechtes Gefühl. Ich wusste vorher nicht, dass es solche Krankheiten gibt und war deshalb unvorbereitet. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie die Zukunft aussehen würde, alles war auf den Kopf gestellt.

Bitte beschreibe uns deinen Alltag, wenn Kamene zuhause ist.
Wenn sie zuhause ist, bleibt kaum Zeit für andere Dinge. Ein Kind wie sie kann man nicht alleine lassen, deshalb bleibe ich immer bei ihr, sie muss gefüttert, gewaschen und gewickelt werden. Da die Schule bald für eine Woche schließt und Kamene nach Hause kommt, mache ich jetzt schon alle Arbeit auf dem Feld, die gemacht werden müsste, damit ich dann Zeit habe, bei ihr zu sein.

Hattest du nach ihrer Geburt Angst, weitere Kinder zu bekommen?
Zuerst schon, aber dann habe ich mit anderen Müttern geredet, und viele haben mir gesagt, dass sie Leute kennen, die nach einem Kind mit Behinderung noch weitere, gesunde Kinder bekommen haben. Jetzt ist es für uns aber genug, wir wollen keine weiteren Kinder. Das liegt aber einfach nur daran, dass wir sie nicht gut versorgen könnten, es hat nichts mit der Behinderung zu tun.

Wie haben deine Freunde, Nachbarn und Verwandte reagiert, als sie davon hörten?
Alle waren zuerst überrascht und mitfühlend, die einzige negative Reaktion, die wir bekamen, war die meiner Schwiegereltern. Sie beschuldigten mich, ich hätte versucht abzutreiben oder während der Schwangerschaft eine der in dieser Region Kenias traditionellen aber mittlerweile verpönten „Hexen“ konsultiert. Eine gute Beziehung hatten wir schon lange nicht mehr, aber jetzt haben wir so gut wie keinen Kontakt mehr zueinander. Dafür sind meine Eltern für ihre Enkelkinder da.

Bekommst du die Unterstützung, die du brauchst?
Die Nachbarn kümmern sich um die anderen Kinder, wenn ich z. B. mit Kamene zum Arzt muss, eben normale Nachbarschaftshilfe. Aber meistens bin ich ja da. Die Ärzte im Krankenhaus geben auch oft Tipps und haben uns gut vorbereitet, als wir nichts wussten.

Liebst du alle deine Kinder auf die gleiche Art und Weise?
Ja, keine Frage. Ich liebe alle, sie gehören einfach zu mir.

Wie stellst du dir dein und Kamenes Leben in 20 Jahren vor?
Im Krankenhaus wurde uns keine Hoffnung gemacht, dass sich ihr Zustand jemals wirklich verbessern wird. Deshalb bin ich bereit, bis zum Ende auf sie aufzupassen, egal ob sie zuerst oder ich zuerst von dieser Welt gehe. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie irgendwann z. B. sprechen lernen wird, aber sie wird sicher immer von mir abhängig sein.

Warum hast du Kamene hauptsächlich in diese Schule geschickt? War die Entscheidung schwer für dich?
Hier profitiert sie von Physiotherapie und kann jederzeit ins Krankenhaus gebracht werden. Auch die Ausstattung im Schlafsaal oder dieses Essen können wir ihr zuhause nicht bieten, wir wissen, dass sie es hier gut hat. Deshalb war es keine schwierige Entscheidung, auch wenn es ein komisches Gefühl ist, von ihr getrennt zu sein. Andererseits wäre sie als gesundes Kind sowieso langsam in dem Alter, eingeschult zu werden.

Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für ein Kind mit Behinderung für euch?
Es ist wirklich schwer. Mein Mann arbeitet auf dem Bau und ich bin nur zuhause bei Kamene und kümmere mich um den Garten und die Dinge, die wir anbauen. Fast alles in Zusammenhang mit der Behinderung ist teuer – Medikamente, Windeln, die Therapie …Wenn Kamene zuhause ist, können wir nicht einfach für alle Bohnen kochen, sie braucht weiches, gut kaubares Essen und muss besonders gut versorgt sein, weil sie uns ja nicht immer mitteilen kann, ob es ihr gerade an etwas fehlt.Die Regierung unseres Countys stellt zwei- oder dreimal im Jahr eine kleine finanzielle Unterstützung von circa 5000 Kenia-Schilling (ungefähr 40 Euro) zur Verfügung, auf die man sich bewerben kann. Aber viel hilft das nicht.

Bist du religiös? Wie denkt Gott deiner Meinung nach über Kinder mit Behinderung? Viele Menschen sagen, er liebt alle Kinder genau so, wie sie sind, manche sagen, sie wären eine Art „Fehler“ in seiner Schöpfung.
Die Bibel sagt, Gott liebt uns alle so, wie wir sind. Außerdem heißt es, er hat uns nach seinem Abbild geschaffen. Und woher wollen wir wissen, ob Menschen mit Behinderung nicht auch seinem Abbild entspringen? Genauso wie du weiß und ich schwarz bin, kommen Menschen ganz verschieden auf die Welt.

Wie gehen Kamenes Geschwister mit ihrer Behinderung um?
Sie lieben Kamene genauso wie ich. Wenn ich nicht in der Nähe bin, wechseln die beiden Großen ihre Windeln, kochen für sie und füttern sie. Wenn es Kamene nicht gut geht, hat das auch Einfluss auf die Laune ihrer Geschwister, sie sind dann besorgt und traurig. Selbst mein jüngstes Kind sagt mir: „Mama, das Baby weint! Kümmere dich um sie!“ Einmal waren die Großen bei ihr, und sie hat plötzlich angefangen, laut und lange zu lachen, was sehr selten vorkommt. Das war ein ganz besonderes Erlebnis für beide!

Ist es einfach für dich, mit Kamene zu kommunizieren, zu verstehen, was sie möchte?
Ja, ich weiß meistens genau, was sie möchte. Für meinen Ehemann ist es nicht einfach, weil er wegen der Arbeit meistens unterwegs ist und deshalb nicht so eine tiefe Bindung zu ihr aufbauen kann. Natürlich liebt er trotzdem alle seine Kinder.

Wie fühlt es sich an, mit Kamene unterwegs zu sein? Bekommst du viele Blicke oder Kommentare?
Oft werden mir Fragen gestellt, und ich erkläre, was mit ihr los ist. Ich verstehe die Neugier, da die meisten Menschen einfach nicht wissen, was genau eine Behinderung ist. Negative Bemerkungen bekomme ich so gut wie nie in der Öffentlichkeit.

Was für Veränderungen müssten passieren, um die Situation von dir, deiner Familie und deinem Kind einfacher zu machen? Von Seiten des Staates, der Schule, der Kirche oder anderen?
Ich finde, die Regierung sollte uns unterstützen, Dinge wie einen Rollstuhl, andere Therapiehilfsmittel, Windeln und Krankenhauskosten zu finanzieren, gerade diese können schnell auf einer ganz anderen Ebene sein als bei normalen Krankheiten. Es wäre gut, wenn Menschen mehr über Behinderung wüssten, aber ich weiß nicht wie. So wirklich kann man es erst verstehen, wenn man selbst ein Kind mit Behinderung hat.

Text: Rebecca Bader, Fotos: Rebecca Bader, pixabay.com

Nike – mehr als ein Wunschkind

Nike – mehr als ein Wunschkind

Nike, unser zweites Wunschkind, wurde spontan, innerhalb von 30 Minuten an einem lauen Sommerabend in Radolfzell am Bodensee geboren. Drei Stunden später waren wir wieder zu Hause. Es folgten die zehn glücklichsten Wochen einer jungen Familie, die alles hatte, was man sich gemeinhin erträumt. Zwei wunderbare Kinder, ein tolles Zuhause, super Jobs. Der Sommer war herrlich.

Dann, während der Rückbildungsgymnastik vor mir auf der Decke liegend, fängt Nike plötzlich im Schlaf an, sich zu schütteln, ihr Körper versteift sich ein paar Sekunden. Es wirkt komisch, als hätte sie einen schlechten Traum. Ich spreche die Hebamme, die den Kurs leitet, darauf an. Auch sie ist überzeugt, es muss ein Traum gewesen sein, Zuckungen beim Schlafen, so etwas kann vorkommen. Sie beruhigt mich. Ich vertraue ihr.

Während eines Ausflugs am Wochenende schüttelt Nike sich wieder, diesmal länger, und neuerlich am Abend. Wir bringen Nike zum Kinderarzt und er schickt uns ins Krankenhaus. Hier bleiben Nike und ich zwei Monate.

Auf einem Familientreffen in Bologna lernen wir die ersten anderen betroffenen deutschen Familien kennen, ihre Erfahrungen sind Gold wert und geben den eigenen Entscheidungen Sicherheit.

Nike hat täglich mehrere, immer heftiger werdende epileptische Anfälle, sie baut ab. Ein Antiepileptikum nach dem anderen wird getestet, aber keines schlägt an. Ihr wird Rückenmark entnommen, sie muss wöchentlich EEGs über sich ergehen lassen und täglich eine Arztvisite, aber es geht nicht voran.

Der zweijährige Leo ist zu Hause total verwirrt, denn Mama ist weg. Unsere wunderbaren Nachbarn helfen aus und kümmern sich tagsüber um ihn, einige Zeit wird er zu Oma ins Tessin geschickt. Leo sieht Mama in diesen zwei Monaten sehr wenig – nur wenn ihn jemand in die Klinik fahren kann oder Mama und Nike mal „Ausgang“ bekommen. Ich fühle mich zerrissen, einerseits in Sorge um Nike, andererseits will ich auch Leo weiterhin eine gute Mama sein können.

Nach acht Wochen in Konstanz werde ich ungeduldig, schließlich wütend. Warum geht nichts voran? Es ist doch sinnlos, hier zu sein, auf den Klinikfluren herumzuhängen. Zu Hause wäre alles viel einfacher. Nike wirkt immer schwächer, Leo kennt mich kaum mehr. Ich verlange, unsere Tochter in ein richtiges Epilepsiezentrum zu verlegen. Die Krankenkasse genehmigt Zürich, wofür ich sehr dankbar bin, denn ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits genug deutschen Klinikalltag hinter mir, der mir schlichtweg ineffizient erscheint.

Anders das Kinderspital Zürich. Um 8.10 Uhr sollen wir bei der Anmeldung sein. Wir werden pünktlich in Empfang genommen, unsere Aufnahmedaten erfasst und um 8.45 Uhr hängt Nike bereits an einem 24-Stunden-EEG auf der Neo-Intensivstation. Um 10 Uhr ist ein Entwicklungspädiater an ihrem Bett und begutachtet sie mit einer Gruppe Studenten. Seine Kommentare zu seinen Studenten treffen mich hart und vollkommen unerwartet. „Dieses Kind scheint entwicklungsverzögert, schauen Sie, es fokussiert überhaupt nicht mit den Augen. Mit vier Monaten müsste es das eigentlich tun.“

Der Chefarzt der Neurologie begutachtet Nike ausgiebig. Er hat bereits das EEG verfolgt und hat eine Vermutung. Er bestellt eine Genetikerin, die sich Nike ebenfalls anschaut. Es ist wie im Film. Sie nickt. Nike wird Blut abgenommen. Wir werden erstmal nach Hause geschickt, um den Gentest abzuwarten.

CDKL5 – vier Wochen später ist es bestätigt. Eine sehr seltene Genmutation – starke Entwicklungsverzögerungen, schwere Schlafstörungen, Magenprobleme, Epilepsie und ein teils unerklärliches, heftiges Oszillieren der Lungen. Wir haben ein schwerstbehindertes Kind.

Ich ziehe mich von vielen Freunden zurück, die Familie kann damit nicht umgehen, hat Berührungsängste. Ich versuche, mit Hilfe von Facebook und Google „Anschluss“ zu finden: Informationen, andere Eltern mit CDKL5-Kindern, Krankenberichte. In England und den USA haben einige Mütter Vereine gegründet. Ich erfahre so, dass es in Deutschland 20 bis 30 weitere Fälle geben muss.

Ich beginne aktiv Infos zusammenzutragen und eine Webseite auf Deutsch für alle Betroffenen, Ärzte und Angehörige zu erstellen, denn das ist es, was ich eigentlich gelernt habe. Ich hatte einen Yuppie-Job als Onlinemanagerin einer großen Internet-Reiseplattform. Auf einem Familientreffen in Bologna lernen wir die ersten anderen betroffenen deutschen Familien kennen, ihre Erfahrungen sind Gold wert und geben den eigenen Entscheidungen Sicherheit.

Nike und ihre Diagnose beschäftigen mich Tag und Nacht. An guten Tagen kann man mit Nike rausgehen, an schlechten Tagen leidet sie erbärmlich.

Wir sind verzweifelt. Nachts „feiert“ Nike – sie jodelt und krampft abwechselnd. Tagsüber muss ich fit für den Alltag sein. Hinzu kommen endlose Kämpfe mit der Bürokratie: Krankenkassengenehmigungen, Gutachten, Pflegekontrollen. Das Aufstöbern der richtigen Pflegehilfsmittel, die regelmäßigen Krankenhaus-check-ups, Blutentnahmen, das Ausfindigmachen von Förderprogrammen, Therapien, Terminvereinbarung und die Gespräche mit Ärzten und Pflegepersonal, die alle noch nie mit dieser Krankheit zu tun hatten, diverse Anträge bei verschiedenen Ämtern, die viele vollgespuckte Wäsche – alles zusammen eine zusätzliche Vollzeitbeschäftigung zum normalen Alltag.

Zum Glück für uns hat eine Bekannte „Hand in Hand Ferien e.V.“ bei Lindau empfohlen, ein Ferienhaus für besondere Menschen. Dorthin bringen wir Nike vier Wochen im Jahr zur Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Sie verbringt dort, in kleinem Kreis und sehr familiär, ihren Urlaub – herrliche Tage mit vielen Ausflügen, während wir mal Urlaub von ihr haben, eine „normale“ Familie sein können, die nachts schläft, und Leo endlich auch ein bisschen Aufmerksamkeit seiner Eltern bekommt.

Es war eine Mutprobe, denn ich war auf mich alleine gestellt. Leo, inzwischen acht Jahre alt, entpuppte sich als fantastischer Helfer.

Nike ist heute sechs Jahre alt und überrascht uns immer wieder. Mit vier Jahren, auf dem Weg in den Italienurlaub beginnt sie endlich selbst zu kauen. Ist es die gute italienische Pasta? Mit fünf Jahren setzt sie sich eines Tages plötzlich frei auf, als hätte sie es immer schon gekonnt, nur nie Lust dazu gehabt. Seit September geht sie in die Regenbogenschule in Konstanz. Sie ist meist ein fröhliches Kind, es macht Spaß mit ihr Dinge zu unternehmen. Und wunderbare Freunde und Nachbarn helfen im Alltag, wo immer sie können.

Nach der Trennung von Nikes Vater – die Beziehung scheiterte wohl unter anderem an unser beider Überforderung – traute ich mich im Sommer zum ersten Mal mit beiden Kindern alleine in den Urlaub zu fahren. Würde ich das meistern? Der erste Flug mit Nike, dazu der Rollstuhl im Gepäck, das Mietauto, der italienische Verkehr, würde Nike spucken? Zwei Wochen Süditalien und die uns bereits bekannte Unterkunft war natürlich nicht behindertengerecht, sondern hatte, ganz im Gegenteil, steile Treppen. Vor Ort waren keine Ärzte, die uns kannten. Es war eine Mutprobe, denn ich war auf mich alleine gestellt.

Leo, inzwischen acht Jahre alt, entpuppte sich als fantastischer Helfer. Er schleppte zusammen mit mir Nikes Buggy die Treppen herunter und füttert sie mit ihren heißgeliebten Auberginenbällchen, Polpette. Wir hatten wunderschöne Tage. Natürlich kam ich nicht so richtig erholt zurück. Aber ich war mächtig stolz, dass ich mir das zugetraut hatte.

Aus der Erkenntnis, dass auch andere Eltern mit besonderen Kindern dem Problem gegenüberstehen, wie sie ihr Kind optimal versorgen und fördern können, entstand zusammen mit einer anderen Mutter www.finifuchs.de, ein Vergleichs- und Informationsportal für Rollstühle, Autositze und alle anderen Reha- und Fördermittel, die man im Alltag so dringend benötigt. So hat Nike auch noch eine Geschäftsidee ins Leben gerufen.

Fotos: Privat 

Humor hilft Heilen feiert 10-jähriges Jubiläum

Statement Eckart von Hirschhausen:

Ich habe als Arzt viele beeinträchtige Kinder erlebt, die auf ihre ganz eigene Art und Weise toll und wertvoll waren. Viele von ihnen hatten einfach nur Pech: kein Sechser bei der Verlosung der Gene, bei der Geburt zu wenig Sauerstoff oder suchtkranke Eltern. Gegen die allermeisten der „Abweichungen“ gibt es keine Tablette. Gleichzeitig ist der Bereich mit den größten wissenschaftlich belegten Fortschritten nicht etwa die Gentherapie oder die Molekulargenetik, sondern die Sonderpädagogik! Dass heute viele Kinder mit Downsyndrom ihre Schulabschlüsse machen, Berufe lernen und älter werden, war vor einer Generation undenkbar und ist eine stille Sensation. Und deshalb haben meinen größten Respekt nicht die Wunderkinder, sondern die Wunderfamilien, die hinter ihren Kindern stehen, das Beste aus dem machen, was das Leben auch an Unerfreulichem oder manchmal Schrecklichem mit sich bringt.

Dass ein Magazin wie Momo hier die Hand reicht und auf so vielen Ebenen Hilfe für Betroffene und Angehörige bietet, ist schlicht bemerkenswert und macht die Welt ein bisschen besser. Danke, Momo!

HUMOR HILFT HEILEN feiert 10-jähriges Jubiläum

Lachen ist die beste Medizin. Deshalb hat der Arzt, Kabarettist, Moderator und Bestsellerautor Dr. med. Eckart von Hirschhausen im Jahr 2008 HUMOR HILFT HEILEN gegründet. Diese gemeinnützige und bundesweit einzigartige Stiftung feiert jetzt ihr 10-jähriges Bestehen und legt eine eindrückliche Bilanz vor.

Seit der Gründung von HUMOR HILFT HEILEN wurden 6 Mio. Euro in Clownsvisiten, Humorworkshops, Forschungsprojekte, in Humortrainer und Weiterbildungsakademien investiert. Bundesweit wurden 250 Projekte voll finanziert oder angeschoben, 10.000 Klinik-Clownsvisiten für Kinder, Erwachsene und Senioren durchgeführt, 1 Mio. rote Nasen in den Umlauf gebracht, in 700 Humor-Workshops über 10.000 Pflegekräfte geschult.

Dr. Eckart von Hirschhausen: „Wow – unzählige Male ein Lächeln dorthin zu bringen, wo es oft wenig zu lachen gibt – darauf können wir echt stolz sein. Es ist unglaublich schön zu sehen, was wir alles in den zehn Jahren bewegen konnten. Aus einer kleinen Graswurzelidee wurde eine bundesweite Bewegung, die mehr Humanität in die Humanmedizin bringt. Von Anfang an war meine Vision, neben den Humorinterventionen bei Kindern auch die Pflegekräfte, Ärzte und die Medizinstudierenden einzubeziehen. Die Profis auf der Station können lernen und erinnert werden, wie sie durch eine authentische persönliche Begegnung und menschliche Zuwendung Wesentliches zum Heilerfolg beitragen. Bereits zwei Universitäten und immer mehr Pflegeschulen arbeiten mit diesem Konzept. Wir haben ein Curriculum für die Ausbildung entwickelt und sind gerade dabei, daraus eine erste interaktive App zu basteln, damit diese Inhalte in zeitgemäßer Form noch viel mehr Menschen erreichen können.“

HUMOR HILFT HEILEN hat in sechs wissenschaftlichen Forschungsprojekten herausgefunden, dass z. B. die Begleitung eines Kindes vor einer Operation durch einen Klinikclown die Angst mindert und das Vertrauen stärkt. Die Konzentration des Bindungshormons Oxytocin im Speichel steigt nachweislich. Bei Erwachsenen reduzierte ein wissenschaftlich fundiertes Humortraining psychosomatische Herzbeschwerden. Auch ein Online-Glückstraining wurde an gestressten Callcenter-Mitarbeitern getestet, das Stressempfinden nachweislich gesenkt. Aktuell laufen auch Untersuchungen zur Wirkung von Humorvisiten bei Menschen auf der Palliativstation auf deren Lebenszufriedenheit, Symptomlast und Wohlbefinden.

Dr. Eckart von Hirschhausen: „Humor und die positive Kraft von menschlichem Kontakt begleitet uns im besten Fall ein Leben lang. Keiner hat sich selber geboren, keiner möchte alleine krank sein oder alleine sterben. Das wissen eigentlich alle. Nur kommen genau diese menschlichen Dinge in einer Medizin, die auf Ökonomie optimiert wird, immer mehr unter die Räder. Dagegen setzen wir Zeichen – von den Frühgeborenen, die wir mit therapeutischen Klängen erreichen, bis zu Menschen am Lebensende, die ihren Humor nicht verlieren wollen. Ich möchte, dass Ärzte und Krankenkassen die positive Psychologie und die Wirkung des Humors kennen und ernst nehmen, denn die einzige Infektion, die man sich im Krankenhaus holen sollte, ist ein ansteckendes Lachen!“

Mehr unter www.humor-hilft-heilen.de
Spendenkonto der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN
IBAN DE24 2001 0020 0999 2222 00

Fotos: Markus Schmidt, Kai Kremser, Michael Fuchs