Eine bewegliche Hand dank Legosteinchen
Mit fünf Jahren spielte David Aguilar erstmals mit Lego, damals ließen ihn die Spielzeugsteine vergessen, dass er keinen Unterarm hatte. Vier Jahre später baute der Junge aus Andorra mit Legoteilen seine erste Prothese. Inzwischen ist Aguilar 22 und hat mit seiner Prothese das Leben eines Achtjährigen in Frankreich umgekrempelt, der unter einer ähnlichen Behinderung leidet. Und er träumt von mehr.
Aguilar wurde wegen des Poland-Syndroms – einer seltenen Brustfehlbildung – ohne rechten Unterarm geboren. Nun will er Kindern helfen, die wie er mit einer Behinderung auf die Welt gekommen sind.
Der 22-jährige Biotechnik-Student ist ein vielbeschäftigter Mann. Neben seinem Studium in Barcelona, das vor dem Abschluss steht, hält er Motivationsreden, hat ein Buch geschrieben und an einer Innovationskonferenz der US-Raumfahrtbehörde NASA teilgenommen.
Der Weg dahin war lang.
„Als Jugendlicher habe ich weiter mit Lego gespielt, weil es mir eine Zuflucht vor den täglichen Hänseleien bot“, erzählt er in seinem Studentenwohnheim. In dieser Zeit richtete er einen YouTube-Kanal ein, auf dem er sich „Hand Solo“ nannte – in Anspielung auf den Schmuggler-Helden Han Solo aus den „Star Wars“-Filmen.
Im Laufe der Jahre entwickelte David Aguilar seine Kunstfertigkeit mit Lego weiter, und mit 17 Jahren baute er mit Legosteinen eine voll funktionsfähige Prothese, mit der er seine ersten Liegestütze auf zwei Armen machen konnte. Seither hat er seine Technik immer weiter verfeinert: Seine jüngste Version, MK5, hat lange hellblaue Finger, die Aguilar mit Hilfe seines Stumpfes und eines Systems aus motorisierten Rollen aktiviert.
Da er sich an ein Leben ohne Unterarm gewöhnt hat, kommt Aguilar tagelang auch ohne Prothese aus. Doch viele Menschen sind täglich auf sie angewiesen, und die neuesten Modelle können tausende Euro kosten.
„Nach dem Bau meiner ersten Prothese habe ich mir gedacht, dass ich anderen Menschen helfen könnte“, sagt er. Als er sich dann im Spiegel mit zwei Armen sah, habe sich das Gefühl noch verstärkt.
2017 wurde Aguilar für die erste funktionierende Lego-Armprothese ins „Guinness Buch der Rekorde“ aufgenommen, seine Geschichte verbreitete sich schnell. Anfang 2021 las Zaure Bektemissova aus Straßburg im Internet von dem jungen Erfinder und beschloss, ihn per E-Mail um Hilfe zu bitten: Ihr Sohn Beknur war ohne Arme zur Welt gekommen, und eine normale Prothese kam für ihn nicht infrage.
„Bei Prothesen gibt es meist nur Standardmodele, die sind groß und schwer. Das ist schlecht für seine Wirbelsäule“, sagt Bektemissova. Aguilar versprach, eine Prothese für Beknur zu bauen. Ende August dann fuhr Bektemissova mit ihrem achtjährigen Sohn die 1300 Kilometer in die Pyrenäen, um sie in Empfang zu nehmen.
Das leichte, vollständig aus Lego gefertigte Teil hat am Ende einen zangenartigen Greifarm, den Beknur mit einer an seinem linken Fuß befestigten Schnur steuern kann. „Jetzt kann ich Dinge mit meiner Hand greifen, das konnte ich vorher nicht“, erzählt der Junge begeistert, während er seinem Bruder einen Ball zuwirft. Auch seine Mutter ist glücklich: „Er kann damit viele Dinge tun, das hat ihm viel Selbstvertrauen gegeben.“
Aguilar denkt bereits an weitere Projekte: „Wenn ich es für Beknur getan habe, warum nicht auch für andere Jungen oder Mädchen, denen ein Arm oder ein Bein oder ein Fuß fehlt?“
Text: Rosa Sulleiro & Julien Senel © Agence France- Presse
Bild:Pau Barrena