Gelber Beutel, Birne oder Pilgermuschel?

Gelber Beutel, Birne oder Pilgermuschel?

Schüler der SRH Stephen-Hawking-Schule gestalten einen Pilgerweg

Über einen „ominösen gelben Beutel“ als Wegzeichen wunderten sich Wanderer in Heidelberg und im westlichen Odenwald. Sie befanden sich auf einem neuen Pilgerweg von Bensheim bis nach Heidelberg, der im Rahmen eines Projekts der SRH Stephen-Hawking-Schule entsteht und schon jetzt ausprobiert werden kann. Offiziell soll er im Frühjahr 2020 eröffnet werden.

Erfreut darüber, dass einige Menschen dieses Wegzeichen entdeckt haben und sich für das Projekt interessieren, berichteten Schüler*innen und Lehrkräfte der Klasse 9.3 des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in Neckargemünd in der Gemeinde Abtsteinach über die Entwicklung dieses Pilgerwegs. Das Geheimnis um den „gelben Beutel“ war schnell gelüftet: Es handelt sich um ein Säckchen, das früher die Jakobspilger*innen statt eines Rucksacks unter ihrem Umhang trugen.

Dieses Pilger-Accessoire, das die Schüler*innen neben Stöcken, Stempeln, Stempelkästen und Pilgerpässen selbst herstellten, gestalteten sie als Zeichen für den Weg. Mit dem so entstandenen Aufkleber versieht der Odenwaldclub die von den Schüler*innen ausgewählten Etappen, die auf bereits bestehenden Wanderwegen verlaufen. Dieses gut erkennbare Zeichen ermöglicht es, sich auf einen fremden Weg einzulassen, dem eingeschlagenen Weg zu vertrauen. Das gibt Freiraum für anderes.

Das Leben und Lernen im schulischen Kontext ist oft schwierig, da es festgefahren und zu komfortabel sein kann. Manchmal „steckt man fest“. Der Reiz des Pilgerns liegt in der Herausforderung, dem Verlassen der Komfortzone.

Der CAMINO INCLUSO geht auf ein Schüler*innenprojekt einer 8. Klasse in der SRH Stephen-Hawking-Schule zurück. In dieser Altersstufe beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der viel Selbstständigkeit verlangt, das Loslassen von Gewohntem und bisher Verlässlichem. Aber auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben braucht es Vertrauen und neue Verlässlichkeit. Wo geht das besser als beim Pilgern? So kam die Idee auf, sich statt in die Schule für eine Woche auf den Weg zu machen. Ein Ziel haben; einen Weg haben; ein Zeichen haben, dem man folgen kann; gemeinsam unterwegs sein; ankommen; wieder aufbrechen; Herausforderungen annehmen; loslassen; wenig – nur absolut notwendiges Gepäck – mitnehmen; sich auf das Wesentliche konzentrieren; persönliche, prägende Begegnungen erfahren; draußen in der Natur sein; für sich sein; in Rhythmus kommen; durchhalten; Abschied nehmen und an einem Ziel ankommen.
2014 wurde im Rahmen einer Klassenfahrt das Pilgern ausprobiert. Dabei entstanden Kontakte zu Gemeinden und Pfarreien entlang der Strecke. In Projektarbeit wurden Wegabschnitte, Unterkünfte, Gasthäuser sowie der ÖPNV mit Schüler*innen erprobt und mit Rollstuhlfahrer*innen auf Barrierefreiheit überprüft. Die Etappen wurden detailliert beschrieben.

Der Weg, der sich am Jakobsweg orientiert, führt von Bensheim-Auerbach in den Odenwald und über dessen Höhenzüge bis nach Heidelberg. Er führt über sechs Etappen zu je 11 bis 15 km bei einer Gesamtlänge von 84 km. Da bei der Konzeption die Barrierefreiheit, insbesondere der Zugang mit dem Rollstuhl und Handbike, im Vordergrund stand und zwischen Darmstadt und Heidelberg der Jakobsweg nicht historisch belegt ist, ist der CAMINO INCLUSO ein eigenständiger Pilgerweg und Zubringer zum pfälzischen und badischen Jakobsweg.

Er soll ein Weg FÜR ALLE sein: Das meint nicht nur unterschiedliche körperliche Voraussetzungen, sondern auch unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich der Religion oder der Spiritualität. In der Natur begegnet der*die Pilger*in vorchristlichen heiligen Wäldern und Quellen, weiten Wiesen und Ausblicken sowie dem eiszeitlichen Felsenmeer. Daneben bieten christliche Kirchen, die Auerbacher Synagoge, Stolpersteine, das christlich-jüdische Friedensmal und ein buddhistisches Kloster einen Ort der Möglichkeit zu Rast und Meditation. Die Pilger*innen können sich dort in den Kirchen und in zwei Pilgerherbergen ins Pilgerbuch eintragen und per Stempel in ihrem Pilgerpass das Erreichen der Etappe bestätigen lassen. Auf Anfrage erteilen die Pfarrer der Gemeinden einen Pilgersegen.

Für dieses Pilgerprojekt erhielten die Schüler*innen einen Preis des deutschen Wanderverbandes. Die SRH Stephen-Hawking-Schule unterstützt das Projekt der Klasse und wird den Pilgerweg voraussichtlich im Frühjahr 2020 offiziell eröffnen. Eine Idee der Schüler*innen FÜR ALLE ist das Probepilgern!

Einfach dem Zeichen folgen und Fotos und Eindrücke vom Weg schicken an: pilgerweg.shs@srh.de.