Headline: Simon, das bin ich!

Simon, danke dass du dir die Zeit nimmst. Wir haben uns ja über deine Biografie schon etwas austauschen können. Es ist sehr bemerkenswert, wie du seit dem 13. Lebensjahr, als du den Schlaganfall erleiden musstest, dein noch so junges Leben neu erlernen musstest.

Du hattest großes Glück, dass du so eine tolle Familie an deiner Seite hast und engagierte Freunde.

Für viele Handicaps gibt es glücklicherweise zahlreiche Hilfsmittel, die ein Leben lebenswerter machen, wenn man bereit ist, sie auch zu nutzen. Du hast Stärke und Mut gezeigt, dich dieser herausragenden Leistung zu stellen. Unsere Publikationen zeigen Menschen, die trotz ihres Handicaps ihrem Leben einen neuen Antrieb geben, neue Inhalte schaffen, neue Pläne schmieden – alles für eine neue Zukunft. Du hast eine ziemlich große Community.

Was uns und unsere Leser:innen interessiert: Was macht der Simon heute und welche Pläne hast du?

Ich habe trotz der Widerstände mein Abitur nachgeholt mit dem Ziel zu studieren. Ich studiere inzwischen in Düsseldorf Medienmanagement und freue mich über jeden Tag, den ich erleben darf.

Du hast jetzt eine eigene Wohnung. Wie gestaltest du deinen Alltag und welche Hilfsmittel brauchst du, gerade auch in den eigenen vier Wänden?

Inzwischen darf ich mit Stolz sagen, dass ich eine eigene Wohnung habe und jeden Tag allein bewältige. Ich kann meinen Alltag komplett eigenständig meistern. Das ist das, was ich immer wollte: ein „normales Leben“ führen. Dabei benutze ich Hilfsmittel wie ein Einhandbrett oder die Myomo, die mir hilft, meinen gelähmten linken Arm in meinen Alltag zu integrieren und einzubeziehen. Es muss jedoch gesagt werden, dass ich, wenn Eile angesagt ist, zum Beispiel morgens, mein Frühstück ohne Hilfsmittel zubereite und zum Bus renne, wie jeder andere auch. Dafür bin ich sehr dankbar.

Du hast ein Studium begonnen. In welche Fachrichtung geht dieses und wie sind deine Pläne nach Abschluss des Studiums? Einige Menschen mit Handicap gehen in einen Bereich, in dem sie ihre Erfahrung und das Know-how ausbauen und weitergeben möchten, um zu zeigen, was geht. Ist das bei dir auch so?

Ich studiere Medienmanagement und ich bin darauf gekommen, da ich meinen Schicksalsschlag öffentlich gemacht habe, da ich erkannt habe, dass ich Leuten damit helfen kann. Ich sehe es ein Stück als meine Lebensaufgabe, Menschen etwas mitzugeben. Durch meine Vergangenheit weiß ich alles viel mehr zu schätzen und freue mich über jeden Moment, da ich gesehen habe, wie schnell es vorbei sein kann. Bei meiner Operation war es schon unklar. Deswegen möchte ich den Menschen eine Message mitgeben und Leuten, die eine Behinderung haben, Mut machen. Denn ich habe zwar eine Lähmung, jedoch mache ich alles, was auch jeder andere macht. Ich spiele weiterhin Basketball, gehe ins Fitnessstudio, habe meinen eigenen Podcast und genieße die Zeit mit meinen Liebsten. Ich kann mir vorstellen, nach meinem Studium Menschen aufzuklären und zu motivieren. Ich habe gelernt, dass wir immer dankbar sein müssen, da es immer Menschen gibt, denen es schlechter geht. Durch SternTV und das ZDF, mit denen ich die Ehre hatte, ein Video zu drehen, sind viele Menschen auf mich zugekommen und hatten viele Fragen, aber auch einfach nur Worte wie: „Danke, ich starte ganz anders in den Tag“ oder „Ich gehe jetzt auch ins Fitnessstudio trotz meines Rollstuhls“. Solche Nachrichten sind für mich das beste Gefühl, das es gibt: Menschen eine Perspektive bieten zu können. Jedoch steht noch nicht genau fest, was ich nach meinem Studium beruflich machen werde. Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, mein Know-how auszubauen und es weiter nach außen zu tragen. Denn im Leben geht alles, wenn wir es wollen!

Es gibt ja zahlreiche und vielfältige Therapieansätze. Besteht die Hoffnung, dass sich in Zukunft Möglichkeiten eröffnen, dass deine Einschränkung sich positiv verändert?

Es gibt zahlreiche und wirklich viele Therapieansätze und ich hatte das Glück, mit vielen verschiedenen Therapeuten zusammenzuarbeiten, die alle neue Ideen und Ansätze hatten. Ich bin sehr dankbar, denn ohne diese Menschen wäre ich nicht so mobil, wie ich es heute bin. Die Hoffnung auf eine Besserung gibt es immer. Ich sehe auch Fortschritte, sie sind zwar sehr klein, jedoch schätze ich jeden Fortschritt und freue mich auch über „kleine Fortschritte“, die für mich riesig sind. Die Myomo ist ein Schritt in die richtige Richtung, da ich durch diese Orthese meinen gelähmten linken Arm, den ich oft vergesse, da er mir oft eher ein Hindernis als eine Hilfe ist, unterstützen kann. Die Myomo ist eine Armorthese, die mir hilft und mir zeigt, dass mein linker Arm eine Hilfe ist und kein Hindernis.

Ist deine Leidenschaft zu Basketball ungebrochen? Welchen Sport übst du zurzeit aus? Welche sportlichen Herausforderungen würdest du gern einmal angehen? Da gibt es ja die verrücktesten Dinge – ein Blinder, der klettert oder Fußball spielt usw.
Wir haben eine Tauchschule an der Ostsee und ein Schwimmbad zur alleinigen Nutzung. Ich bin auch Handicap-Instructor und zu mir kommen auch Rollifahrer, die einfach mal die Schwerelosigkeit erfahren möchten. Du bist herzlich eingeladen, das auch einmal auszuprobieren!

Meine Leidenschaft für Basketball ist ungebrochen und ich nutze bei gutem Wetter jede freie Minute auf dem Basketballplatz. Ich liebe den Sport und wie er Menschen verbindet, egal was man hat oder woher man kommt. Es erfüllt mich, wenn meine Freunde mir einen Pass zu meiner linken Hand spielen, weil sie vergessen haben, dass ich gelähmt bin. Das ist für mich das beste Feedback, dass ich als normaler Junge gesehen werde. Der Pass kommt zwar nicht an, aber ich freue mich innerlich sehr. Außerdem gehe ich ins Fitnessstudio, um an weiteren sportlichen Zielen zu arbeiten. Ich habe auch mit der Sportart calesthenic angefangen. Das ist Sport mit dem eigenen Körpergewicht. Ich bin fast soweit, dass ich mein eigenes Gewicht mit beiden Händen an einer Stange halten kann, hier beziehe ich den gelähmten linken Arm mit ein.  Ich möchte gerne dunken können, das heißt, ich möchte so hoch springen können, dass ich mich an den Basketballkorb hängen kann. Dafür muss ich meine Sprungkraft trainieren. Ich bin aber immer offen für neue sportliche Herausforderungen. Neuerdings gehe ich gerne schwimmen, was mit einer Hand gar nicht so leicht ist. Auch Fußball spiele ich gerne. Neuerdings gehe ich auch zum Boxtraining. Ich fand es besonders, weil mich Leute darauf angesprochen haben, dass das doch nicht möglich sei. Doch warum nicht? Was hält mich auf? Ich ziehe das durch und habe Gefallen daran gefunden. Mein Trainer hat das natürlich individuell an mich angepasst, aber ich mache alles, was ich mir in den Kopf setze. Peter Lange, der Herausgeber von Momo hat mich zum Schnuppertauchen eingeladen. Ich wollte schon immer mal tauchen. Ich würde gerne mal die Schwerelosigkeit im Wasser erleben. Es wäre mir eine große Ehre, bei euch tauchen zu kommen. Herzlichen Dank für das Angebot!

Das Karussell des Lebens dreht sich immer weiter, man lebt von Veränderungen. Wenn ich dich jetzt nach deinem Lebensmotto frage, was würdest du antworten?

Das Karussell des Lebens dreht sich immer weiter. Wir können nicht voraussehen, was morgen passiert, aber was wir können, ist zu entscheiden, wie wir damit umgehen. Ob wir positiv und mit Lebensfreude darangehen oder unzufrieden sind. Ich glaube, positiv und lebensfroh anzugehen, ist sehr wichtig, weil unser Leben auf diesem Planeten nicht unendlich ist. Ich habe keine Zeit für schlechte Laune. Meine Mutter hat immer gesagt: „Schlimmer geht immer.“ Da ist meiner Meinung nach viel dran. Früher habe ich immer gedacht: Warum ist ausgerechnet mir der Schlaganfall passiert? Heute sage ich zum Glück: Ich habe überlebt. Es ist eine Frage der Perspektive. Ich habe Leute kennengelernt, denen es viel schlechter ging, und die sind bis heute die lebensfrohsten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Deswegen: Womit nehme ich mir das Recht, schlecht drauf zu sein? Ich habe doch alles, mir geht es gut. Es gibt Menschen, die viel weniger haben und dennoch immer lachen. Deshalb bin ich für jeden Moment dankbar. Außerdem probiere ich wirklich alles aus. Ich möchte später, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, nicht denken: „Was wäre denn, wenn?“ Deshalb wird es einfach gemacht. Ich freue mich auf unsere Taucheinheit!

Interview: Peter Lange

Fotos: privat