Hightech-Anzug statt Hilflosigkeit
Wie Ricky sich nicht von MS bremsen lässt
Vom Krankenpfleger zum Mutmacher im Rollstuhl – ein Leben zwischen Helfen und Hilfe annehmen
Richard „Ricky“ Baerg (37) aus der Nähe von Lörrach ist examinierter Krankenpfleger, dreifacher Familienvater – und seit 13 Jahren an Multiple Sklerose (MS) erkrankt. Die Diagnose trifft ihn 2012 mit 25 Jahren nach einer Sehnerv-Entzündung völlig unerwartet. Heilbar ist MS bis heute nicht. Über 120.000 Menschen sind in Deutschland betroffen. Anfangs schiebt Ricky die Erkrankung beiseite: „Ich wollte einfach mein Leben leben.“ Doch die Krankheit lässt sich nicht ignorieren. Immer häufiger bekommt er Muskelkrämpfe, bis er eines Nachts nicht mehr laufen kann. Ein Rollstuhl wird unumgänglich.
„Ich dachte, ich hätte nicht das Recht, mich zu beschweren“
Ricky arbeitet in der Anästhesie und Intensivpflege – ein Job voller Verantwortung. Doch die MS zwingt ihn, Grenzen zu akzeptieren. Er outet sich am Arbeitsplatz und erfährt viel Zuspruch: „Ich habe gemerkt, dass man durch Offenheit auch Offenheit zurückbekommt.“ Trotzdem fällt es ihm schwer, sich selbst Priorität zu geben. 2020 markiert den Wendepunkt: Nach zunehmenden Einschränkungen verordnet der Neurologe ihm einen Rollstuhl. Ricky wechselt den Job, achtet mehr auf sich – und entdeckt, wie wichtig Unterstützung ist. Eine Wunschaktion der Lokalzeitung erfüllt ihm seinen Traum vom Handbike: „Endlich konnte ich wieder mit meiner Frau Fahrrad fahren.“



Weniger Nebenwirkungen als Medikamente: ein Hightech-Anzug bringt Hoffnung
Neben Rollstuhl und Handbike gehört heute ein einzigartiges Hilfsmittel zu Rickys Alltag: der Neuromodulations-Anzug Exopulse Mollii Suit. Dieser Anzug stimuliert per Elektroden spastische Muskeln, lindert Schmerzen und verbessert die Mobilität – ganz ohne Nebenwirkungen. „Nach der ersten Anwendung konnte ich meine Beine besser spüren. Das war ein Gänsehautmoment“, erinnert sich Ricky. Über einen Monat dokumentiert er seine Fortschritte, bis die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Seit 2023 nutzt er den Anzug alle zwei Tage: „Ich kann mich freier bewegen, habe weniger Spastiken und mehr Kraft.“
2025 kommt die zweite Generation, der exopulse suit, auf den Markt: leichter, komfortabler, mit präziserer Stimulation. „Das macht im Alltag einen großen Unterschied“, bestätigt Hersteller Ottobock. Für Ricky bedeutet der Anzug ein Stück Lebensqualität: „Ich bleibe aktiv, kann für meine Kinder da sein – das ist das Wichtigste.“

Ein Lebenstraum wird Realität – und wächst weiter
2022 erfüllt sich Ricky mit seiner Familie und Freunden einen alten Jugendtraum: Sie ziehen auf einen Bauernhof bei Lörrach und starten ein gemeinschaftliches Wohnprojekt. 13 Erwachsene, 18 Kinder – jeder hat seinen Rückzugsort, vieles wird geteilt. Ricky arbeitet heute als Berater im Sozialen Dienst im Krankenhaus, spielt Rollstuhlbasketball und trainiert inklusives Tischtennis. Physiotherapie und Anzug-Anwendungen gehören zu seinem Alltag.
Wie Ricky Inklusion auf seinem Hof weiterdenkt
Ricky wäre nicht Ricky, wenn er sich in der Wohnprojekt-Idylle ausruhen würde. In Zukunft möchte er auf dem Hof ein barrierefreies Urlaubsdomizil schaffen, das an die Bedürfnisse von anderen Betroffenen und Menschen mit Behinderung angepasst ist. Das heißt für den 37-Jährigen auch: Sportgeräte, die man ausprobieren kann. Aus Erfahrung weiß er, wie begrenzt das bisherige Angebot für barrierefreien und behindertengerechten Familienurlaub ist.
Anderen MS-Betroffenen rät er, sich nicht von der Krankheit beherrschen zu lassen – auch wenn es schwer erscheint: „Wir müssen rausgehen, am Leben teilnehmen und aktiv bleiben“, findet er. „Ich habe mich in den 13 Jahren seit meiner Diagnose selbst besser kennengelernt und gelernt zu kommunizieren. Das ging nur mit Offenheit.“ Für Ricky steckt hinter jedem Rückschlag auch etwas Gutes. Durch den Mut, offen mit seiner Erkrankung umzugehen, hat er vor allem Hilfsbereitschaft zurückbekommen und sich trotz oder gerade deswegen weiterentwickelt. Heute gibt er der MS in seinem Leben Raum – aber er lässt es nicht durch sie bestimmen.

Seine Botschaft an andere Betroffene
„Lasst euch nicht von der Krankheit beherrschen. Geht raus, bleibt aktiv und offen. Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen – und dafür ganz viel Hilfsbereitschaft zurückbekommen.“
Auf Instagram teilt Ricky seine Erfahrungen: @my_story_cant_stop_me
Text: Ottobock GmbH, Fotos: (c)David Haase, Ottobock GmbH, Privat