Interview Rebecca Immanuel

Liebe Frau Immanuel,
Sie sind eine sehr gefragte Schauspielerin, weshalb wir uns umso mehr bei Ihnen bedanken möchten, dass Sie sich für unsere besonderen Kinder – wie wir Kinder mit Handicap nennen – gerade auch in dieser besonderen Situation Zeit genommen haben.
Sie als engagierte und berufstätige Mutter sind in Ihrem Job sehr eingespannt und durch die unterschiedlichen Drehorte auch nicht permanent in der Nähe Ihres Sohnes und Ihres Partners.
Wie kriegen Sie diesen Spagat hin? Oder kommt dann bei Ihnen schon einmal ein schlechtes Gewissen auf?

Glücklicherweise ist es für meine Arbeitgeber in Ordnung, dass ich mein Kind mitnehme. Auch bei einem mehrwöchigen Dreh im fernen Ausland nehme ich meine Familie mit. Seit einiger Zeit stelle ich fest, je älter Kinder werden, desto selbstständiger und unabhängiger werden sie. Daher genieße ich die Jahre, in denen man als Eltern noch so wichtig ist. Und wenn ich dann doch mal drei Tage alleine weg bin, wird der Kontakt über Bildtelefonie und Videos gehalten.

Wir beschäftigen uns – nicht nur von Berufs wegen, sondern auch über unseren Verein Momo e.V. – mit mobilitätseingeschränkten Kindern und deren Familien.Haben Sie bereits Erfahrungen in diesem Bereich gemacht und gibt es da in Ihrem privaten Bereich Berührungspunkte?

Tatsächlich nicht in Bezug auf Mobilität, aber in Bezug auf Handicaps. Eine meiner Tanten ist gehörlos. Das sensibilisiert für das Thema Integration, Barrieren im Alltag, wertschätzendes Miteinander und Menschen mit anderen Herausforderungen. Es hat mir Verständnis und ein größeres Einfühlungsvermögen beigebracht, außerdem habe ich keine Hemmschwelle im Kontakt mit Menschen, die ein Handicap haben.

Im Zuge meiner Recherche habe ich gelesen, dass Sie Charity-Projekte unterstützen. Um welche Projekte handelt es sich hier?

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in unserem Land bewegen Herzen, Biografien und machen einen Riesenunterschied. Daher habe auch ich mich entschieden, unserer Gesellschaft etwas von dem zurückzugeben, was ich an Gutem erfahren habe, und engagiere mich für die Stiftung Lesen und die Stiftung „Zu-Wendung für Kinder“, weil Bildung das A und O für mich zu einem friedlicheren und besseren gesellschaftlichen Miteinander ist. Außerdem bin ich Botschafterin für Ankerland e.V. in Hamburg, das sich um traumatisierte Kinder und Jugendliche kümmert, und engagiere mich für Lichtblick e.V., ein Verein, der Senioren unterstützt, die von Altersarmut betroffen sind.

Sie veröffentlichen im November Ihr Weihnachtsalbum „Light“. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Während des Lockdowns habe ich die persönliche und wirtschaftliche Not bei einigen Menschen gesehen und dachte mir im Stillen, was da wohl noch alles auf uns zukommt, besonders am dunklen Jahresende. Deswegen wollte ich meinen Mitmenschen Hoffnung, Licht und Zuversicht schicken und habe dieses stimmungsvolle Weihnachtsalbum eingesungen und produziert, um ihnen das Herz zu wärmen.

Wie feiern Sie und Ihre Familie in dieser doch für uns alle ungewöhnlichen Zeit Weihnachten?

Meistens feiern wir in ganz großem Kreis, aber dieses Jahr ist das sehr wahrscheinlich nicht möglich. Selbst das Krippenspiel und der Kirchenbesuch werden wohl ausfallen. Daher überlegen wir schon eifrig, wie wir kreativ den Kontakt zu unseren Liebsten halten können und was wir tun können, um Heiligabend und an den Feiertagen dennoch das Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu leben. Irgendetwas wird uns schon einfallen und wenn es Videobrunches sind oder eine Wimpelkette mit Portraits über dem Esstisch.

Das Leben schlägt manchmal Haken und ist nicht immer planbar. Unser Magazin Momo ist für Eltern und Kinder, die besonders sind. Es soll nicht nur Mut machen und zeigen, was im Alltag alles möglich ist, sondern auch Eltern und Betroffenen die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen. Betroffene Eltern für Eltern! Was würden Sie unseren kleinen und großen Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Dass sie so, wie sie sind, wunderbar und vollkommen sind. Ich habe durch meine gehörlose Tante und ihren Mann eine große Sensibilität für Vielfalt gelernt und kann mir keine liebevolleren und humorvolleren Lehrer für dieses Leben wünschen.

 

Vielen herzlichen Dank für dieses Interview!

Herzlichen Dank, dass ich mit Ihnen sprechen durfte, wenngleich nur in Schriftform!

Martina Lange
Chefredakteurin Magazin Momo – Mobilität & Motion

Fotos: Coverfoto CD_Copyright Vanessa Cowling, übrige Fotos Jessica Kassner