Kathy und ihr „Tanz“ auf den Wellen

Die 1975 geborene Katharina Rüsbüldt ist seit 1979 durch einen Unfall oberschenkelamputiert. Kathy ist begeisterte Sportlerin: Zu ihren liebsten Sportarten zählen der Pferdesport oder Inlineskaten, um hier nur einige zu nennen. Seit 2018 ist sie auch in der Trendsportart SUP (Stand-up-Paddeln) erfolgreich unterwegs.

Bis zur Geburt unserer Tochter Mathilda habe ich Vollzeit im grafischen Bereich gearbeitet, seitdem nur noch 24 Stunden in der Woche, unser Tagesablauf ist dabei routiniert. Wir haben zwar nur ein Kind, einen Hund, ein Pferd und meinen Sport, aber der Haushalt liegt – wie auch schon vor Mathilda – in meiner Hand. Mittlerweile hat Mathilda auch Termine nach der Schule, Verabredungen usw., was einer guten Organisation bedarf und meistens klappt, aber eben auch nicht immer.

Nach meinem Schulabschluss habe ich eine Ausbildung begonnen – ein Ausbildungsberuf, der auf der B-Liste stand, denn statt Mediengestalterin wollte ich Pferdewirtin werden. Erst die Aussage meines Stiefvaters brachte mich auf andere Gedanken: „Wer will dich denn schon mit einem Bein einstellen? Selbst wenn du die Lehrstelle bekommst (ich hatte in der Tat ein Angebot), wie soll es danach weitergehen?“ Er glaubte einfach nicht an mich.

Für Mathilda war mein Bein kein Problem – die Frage stellte sich nie, weil sie in keinerlei Hinsicht, was beispielsweise Aktivitäten betrifft, zurückstecken musste.

Als sie in den Kindergarten kam, änderte sich auf einmal ihre „Einstellung“ dazu. Sie sagte, es tue ihr leid, dass ich nur ein Bein hätte und nicht alles machen könne. Das verwunderte mich sehr und stimmte mich auch traurig. Also fragte ich sie, was wir denn bisher alles gemeinsam gemacht haben, und es sprudelte aus ihr heraus: „Inlinern, reiten, Rad fahren, schwimmen“. Das war nicht weniger, als andere Mamas mit ihren Kindern machen. Waren wir im Urlaub auf einem Campingplatz, lernte Mathilda immer Kinder kennen und sie spielten zusammen, sie brachte sie auch mit zu unserem Platz. Die Kinder interessierten sich dann aber erstmal für mein „Roboterbein“. Es wurde gedrückt und angefasst und es wurden Fragen stellt – ganz zum Leidwesen von Mathilda. „Das ist gemein, jetzt interessiert sich keiner mehr für mich, nur noch für dich!“ Daraufhin erklärte ich ihr: „Wenn du neue Freunde mit hierherbringst, kannst du ihnen auch erklären, was los ist. Du kennst meine Geschichte und kannst selbst den Erklärbären spielen.“ Das war für sie eine gute Lösung und klappte prima – somit stand ich auch nicht mehr ungewollt im Mittelpunkt.

Hatte ich Termine beim Techniker im Sanitätshaus, war Mathilda immer dabei, so dass auch Mitfahrgelegenheiten in Rollstühlen oder das Kennenlernen von ebenfalls Betroffenen einfach normal waren. Mittlerweile hat sie einfach das Interesse verloren, mich zu begleiten, denn so spektakulär ist solch ein Aufenthalt ja irgendwann nicht mehr.

Mein Handicap war für meinen Mann Manuel nie ein Hindernis – da es für mich auch nie eines darstellte.

Ich bin wirklich glücklich, jemanden an meiner Seite zu wissen, der zu mir steht und mich in meinen sportlichen Aktivitäten unterstützt. Unser kleines Familienunternehmen führen wir zwar gemeinsam, aber der Geschäftsführer bin ich. 😉 Für mich selbst ist die Prothese keine Belastung, ich bin damit aufgewachsen und die Jüngste von fünf Kindern.

Ohne meine großen Geschwister wäre ich ganz sicher nicht so tough, wie ich jetzt bin.

Die Monate nach der Geburt von Mathilda habe ich in schlechter Erinnerung, ich fühlte mich damals in der Tat das erste Mal „verhindert“, am Leben teilzunehmen.

Durch die Hormonumstellung spielte meine Haut verrückt und ich vertrug auf einmal das Material des Schaftes nicht mehr. Der ganze Stumpf war „offen“ und ich bekam erst einmal keinen neuen genehmigt, der vorhandene war ja noch nicht alt. Monatelang musste ich täglich den Schaft anlegen und hatte starke Schmerzen. Mir blieb keine andere Wahl, denn ich hatte ein Baby, das versorgt werden musste!

Indirekt bin ich manchmal alleinerziehend – mein Mann ist öfter auf Dienstreisen und teilweise fünf Tage am Stück unterwegs, am Wochenende daheim und dann wieder weg. In dieser Zeit bleibt ein wenig mehr an mir hängen als sonst.

Mit nunmehr 44 Jahren gehöre ich zu den Spätzündern in der Trendsportart SUP. Anfang Juni 2018, bei den Offenen Deutschen Meisterschaften im Flatwater SUP in Xanten, sollte alles seinen Lauf nehmen. Von acht Startern in meiner Boardklasse wurde ich die Letzte im Sprint, weil ich einen von drei Heats verpasste, sechste von sieben beim Technical Race (350 m mit drei Bojen) und siebte von acht in der Gesamtwertung. Ganz schön unbedarft bin ich an diesen Sport rangegangen, hatte ich doch erst Mitte April aktiv damit begonnen. Nach meiner ersten Saison und mehreren Wettkämpfen lag ich Ende 2018 in der GSUPA-Liste in der Long-Distance-Disziplin auf Platz 21 von 76 insgesamt. Nicht schlecht, wenn man bei null angefangen hat.

Das Bedürfnis, mich hinsichtlich meines Handicaps auszutauschen, habe ich nicht. Seit drei Jahren nehme ich an Peer-Fortbildungen teil. Hier durfte ich ganz großartige Menschen kennenlernen.
Ich möchte den Betroffenen wie auch den Angehörigen mit meinen Erfahrungen Mut machen. Ich sage immer: „Kann ich nicht, gibt‘s nicht. Es gibt nur ein ‚Ich will nicht‘.“ Die Grenzen sind letztlich nur die, die wir uns selbst setzen. Denn wie ich schon in Scharbeutz sagte, nachdem ich erfolgreich als Letzte ins Ziel kam: „Wenn ich durch meine Teilnahme hier auch nur einen dazu bringe zu sagen ‚Wenn sie das schafft, dann schaffe ich das auch‘, dann habe ich doch schon gewonnen.“ Das möchte ich: motivieren und bewegen.

Vor mehreren Jahren las ich die Lebensgeschichte von Gerard Metroz, „Ich lass mich nicht behindern“. Und so lebe ich auch. Ich mache alles, worauf ich Lust habe, spreche selten bis nie von „UNS Behinderten“ oder Ähnlichem. Leben ist das, was man selbst daraus macht – mit all seinen Facetten, Höhen und Tiefen. Mit dieser Aussage bewege ich mich natürlich auf ganz dünnem Eis, aber ich finde einfach,

ES IST NORMAL, VERSCHIEDEN ZU SEIN!

Fotos: Privat