Inklusion ist mehr als gemeinsamer Unterricht

Gastbeitrag von Dr. Tobias Böcker, Geschäftsführer der SRH Schulen GmbH in Neckargemünd

Bisweilen scheint sich die Diskussion um Inklusion ausschließlich auf die Themen „Schule“ und – enger – „Gemeinsamer Unterricht“ zuzuspitzen. Für Dr. Tobias Böcker, Geschäftsführer der SRH Schulen GmbH in Neckargemünd, ist Inklusion vielmehr eine selbstverständliche Grundanforderung an die gesamte Gesellschaft in allen Lebensphasen und Lebensbereichen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet er den konstruktiven Beitrag der Sonderpädagogik zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Inklusion.

Inklusion – Chancengerechtigkeit und Teilhabe

Der Inklusion geht es um Chancengerechtigkeit, Toleranz und Teilhabe, um die Achtung von Menschenrechten, Grundfreiheiten und Vielfalt, um Solidarität und den vorbehaltlosen Zusammenhalt der Gesellschaft. Aufs Ganze gesehen ist das entscheidende Ziel die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in unserer Gesellschaft. Dazu gehören die Chancengleichheit in der Bildung von Anfang an, die berufliche Integration und substantiell die Selbstbestimmung des Menschen in einer barrierefreien Gesellschaft. Es geht darum, dass Menschen ihr Leben in ungehindert selbstbestimmter Biografie aktiv und eigenständig entwerfen, gestalten und verantworten.

Schule – Erfahrungsraum und Trainingscamp

Unabhängig von ihrer konkreten Form definiert die Schule als solche einen biografischen Abschnitt des Übergangs. Schule ist kein Selbstzweck; sie fungiert einerseits als sozialer (Selbst-)Erfahrungsraum und andererseits als Trainingscamp für das, was danach kommt.
Für junge Menschen ist die Begegnung auf Augenhöhe mit Respekt, Geduld und Wertschätzung eine substantielle Lebenserfahrung – nicht allein im schulischen Kontext. Schule hat ihren Sinn indes nicht nur im aktuellen Lebensabschnitt der Schulzeit und in den damit verbundenen sozialen Erfahrungen, sondern wesentlich auch im zukunftsbezogenen Ausblick auf den weiteren Lebensweg. Sie dient dazu, zu lernen, Lebenskompetenz zu entwickeln, Ressourcen zu stärken, Begabungen zu finden und zu fördern. Der schöne Spruch „Der Weg ist das Ziel“ kann keine ausschließliche Geltung beanspruchen. Ebenso gilt: „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“.

Sonderpädagogik – positives Feedback und individuelle Bildungschance

Der sonderpädagogische Ansatz der SRH Schulen sorgt für ganzheitlich stärkende Erfahrungen in der Peergroup, u. a. auch in der sogenannten „umgekehrten Inklusion“. Diese reichern die individuelle Bildungsbiografie unmittelbar positiv an, geben den Kindern und Jugendlichen positives Feedback und stärken ihr Selbstwertgefühl.
Schule und Unterricht berücksichtigen die individuellen Gegebenheiten, Begabungen, Neigungen und Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen. Wir wissen, dass Kinder und Jugendliche in manchen Lebenssituationen oder -abschnitten einer auf sie zugeschnittenen, intensiven Zuwendung sowie spezifischer Ressourcen und individueller Förderung bedürfen. Dazu halten wir ein umfassendes sozial-, schul- und sonderpädagogisches Angebot vor, das von den Bedürfnissen des einzelnen Kindes bzw. Jugendlichen ausgeht.

Deine Bildung, dein Leben – Heidelberger Plan

Unser „Heidelberger Plan“ fasst die wesentlichen Anliegen unserer Pädagogik unter vier leitenden Schlagworten zusammen:
• Alle annehmen – Vielfalt und Inklusion
• Leben entwerfen – Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskompetenz
• Aktiv beteiligen – Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit
• Gemeinsam verantworten – zusammen arbeiten in Netzwerken

Das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum versteht sich als ein intensives, inklusives Angebot eigener Art. Es lässt sich nicht auf die Rolle einer Art Restschule für – bedauernd beiseite gestellte – „nicht inkludierbare Fälle“ in einer ansonsten „inklusiven“ Schullandschaft reduzieren. Im Gegensatz zu solch zynischen Überlegungen sehen wir uns als ein Kompetenzzentrum, das individuell angepasste Ressourcen in differenzierter Form verfügbar macht, neben der Lernsituation im Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum auch in kooperativen Settings in Zusammenarbeit mit allgemeinen Schulen oder in der aktiven Unterstützung schulischer Inklusion.

Fazit – Sonderpädagogik, ein Motor der Inklusion

Die SRH Schulen GmbH versteht Inklusion als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir leisten unseren biografieorientierten Beitrag zur Ermöglichung von umfassender, chancengleicher Teilhabe, wie sie jeder Lebensentwurf zu Recht für sich in Anspruch nehmen kann. Sonderpädagogik ist in diesem Selbstverständnis keine ausgrenzende Bremse der Inklusion, sondern ein Motor, der ihre Dynamik voranbringt.


Die SRH Schulen GmbH betreibt in Neckargemünd zwei Sonderpädagogische Beratungszentren, die Stephen-Hawking-Schule mit Internat (Förderschwerpunkt körperlich motorische Entwicklung) und die Viktor-Lenel-Schule (Förderschwerpunkt sozial emotionale Entwicklung) sowie ambulante, teilstationäre und stationäre Angebote der Jugendhilfe. Die Kernkompetenz liegt in einer über 40-jährigen Tradition als Träger von sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen und Jugendhilfemaßnahmen.


Text und Fotos: SRH Schule