Umzug in ein neues Zuhause

Umzug in ein neues Zuhause

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.“ Der Umzug in ein neues Heim geht häufig mit Gefühlen von Traurigkeit einher: die liebgewonnene Umgebung verlassen, ein Schulwechsel und Freunde, die man nun vielleicht seltener sehen kann. Zugleich birgt ein Wohnortwechsel zahlreiche Chancen, angefangen beim verbesserten Wohnraum bis hin zu größeren Freiräumen durch günstigere Infrastruktur.

Erwachsenen gelingt es häufig, Positives und Negatives nebeneinander sehen zu können. Für Kinder hingegen können kleine Welten zusammenbrechen, wenn ein Umzug beispielsweise eingeschränkteren Kontakt zu engen Freunden bedeutet. Ein Wohnungs- oder Wohnortwechsel stellt für Kinder auf jeden Fall eine Herausforderung dar, auch wenn es äußerlich nicht immer erkennbar ist: „Mama, nehmen wir die Türen auch mit? Und die Toilette? Die Badewanne? Aber mich nehmt ihr doch mit, oder?“

Bei uns fing es mit der Besichtigung der neuen Wohnung an. Den potenziellen neuen Vermieter gerade einmal im Vorbeigehen gegrüßt, begannen schon die Diskussionen darüber, wer das größere Zimmer beziehen darf. „Das älteste Kind kriegt das größte Zimmer“, äußere ich intuitiv und pragmatisch. Mein Mann blickt mich kritisch von der Seite an. Die zwei Jungs heben ihre Stimmen zum Protest. „Also, wenn wir hier einziehen sollten, meine ich natürlich“, schiebe ich, verlegen zum Vermieter blickend, hinterher, denn noch haben wir nichts besichtigt außer drei unterschiedlich großen Kinderzimmern. Zwei davon sind Durchgangszimmer. Dies lässt dann meine Gesichtszüge entgleiten. Mein Mann äußert hingegen ruhig, dass er selbst als Kind ein Durchgangszimmer hatte und dies kein Problem gewesen sei. Wir gehen weiter in das Badezimmer. Oh, mit Fenster. Ich vermerke gedanklich einen Pluspunkt. Geheizt wird über Strom? Doppelter Minuspunkt. Letztlich finden wir uns ein paar Tage später bei Kaffee und Keksen mit dem Vermieter an einem Tisch wieder und unterzeichnen den Mietvertrag für unsere neue Wohnung.

„Und nun?“, fragt mein Mann später. „Also erstmal Wohnung kündigen, Kindergarten und Schule abmelden und neue Einrichtungen anmelden, Nachsendeauftrag stellen und dann die neue Wohnung gründlich abmessen. Können wir unseren Internetanbieter mitnehmen? Wie transportieren wir die neuen Möbel? Bekommen die Kinder mit Durchgangszimmer einen Raumteiler? Was müssen wir in unserer alten Wohnung alles renovieren?“, sprudelt es aus mir heraus. Mein Mann zieht seine Frage zurück. „Wir müssen erstmal in Ruhe einen Plan machen“, beschwichtige ich ihn, „dann wirkt es auch nicht mehr so unübersichtlich.“

Unsere siebenjährige Tochter Marie plant derweil auch. „Wenn wir mal in eine größere Wohnung umziehen, bekommst du Meerschweinchen.“ An diesen Satz von mir erinnert sie sich und sucht nun bereits Namen für unsere zwei neuen Mitbewohner aus, die sich noch gar nicht in der akuten Phase der Anschaffung befinden.

„Endlich können wir in der Wohnung auch toben und laut sein“, freut sich hingegen der dreijährige Jacob. Ein ausschlaggebender Grund für den Wohnungswechsel waren tatsächlich die fehlenden Nachbarn unter uns. Kein nächtliches Auf-Zehenspitzen-Laufen mehr und kein permanentes Maßregeln der Kinder, wenn ihre Schrittgeschwindigkeit sich erhöhte und in moderates Getrampel (bzw. „unerträglichen Krach“ – Zitat der Nachbarn) mündete. „Dank Nachtstrom können wir nun auch nachts die Waschmaschine und den Geschirrspüler laufen lassen“, möchte mein Mann noch erwähnt wissen. Um die Stromkosten weiter zu senken, planen wir zudem die Anschaffung eines Ofens. Heizen mit Holz klingt nach romantischer Wärme, knisternden Geräuschen und heimeligen Gerüchen. Dass es auch mit Holzhacken, Dreck und erhöhtem Aufwand zu tun haben wird, blenden wir bisher erfolgreich aus.

„Was brauchen die Kinder alles neu?“, fragt mein Mann. „Neu brauchen sie sowieso gar nichts“, antworte ich und verweise auf Kleinanzeigenportale. Die Seifenblase meines Mannes, in der wir gemeinsam durch Möbelhäuser stöbern, zerspringt schließlich endgültig, als ich ihm ausrechne, welche Kosten alles auf uns zukommen werden: „Kaution, Baumarktkosten, Renovierungskosten, unser Kleiderschrank überlebt den Umzug sicher nicht und du wolltest unbedingt ein neues Bett.“ Kleinanzeigenportale sind großartig, schlussfolgert mein Mann.

Vor einigen Monaten zog Maries beste Freundin um. Die Trauer war groß. Zufälligerweise zog sie in genau den Ort, in welchen wir nun ziehen werden. „Ich will jetzt sofort umziehen und auch die Schule wechseln“, ist daher der Tenor von Marie. Unser sechsjähriger Sohn Max hingegen hat feste Freundschaften im Kindergarten und seine jahrelang erprobte Routine dort. Er möchte nicht umziehen. „Guck mal, gegenüber von unserer Wohnung ist sogar ein Bauernhof“, versuche ich ihn aufzumuntern. „Und der Kindergarten ist zu Fuß gar nicht weit weg.“ Er dreht sich weg von mir. „Du findest ganz sicher schnell neue Freunde und deine alten können wir immer besuchen.“ Ein leises Schnauben von seiner Seite. Vielleicht muss man auch mal traurig sein dürfen, sage ich mir leise und blicke aus dem Fenster unserer sieben Quadratmeter kleinen Küche der alten Wohnung. Gegenüber sehe ich rechts eine Großbaustelle, aber links eine Ansammlung von zahlreichen Bäumen und Büschen, deren Blätter sich im Rhythmus des Windes bewegen. Das werde ich vermissen. Ebenso wie den fußläufig erreichbaren Supermarkt und den Bus, der mich direkt in die nächste Großstadt bringen kann. Gemeinsam mit Max kuschele ich mich auf dem Bett ein und wir reden über das Gute, was kommen mag, und das Alte, was wir vermissen werden. Ein Umzug ist eben nicht nur für Kinder eine Herausforderung.

Ein Beitrag von Mandy Falke

 

Fotos: Andrey Aboltin, Gorodenkoff_shutterstock.com

Geschwisterkinder von Kindern mit Behinderung und schwerer Erkrankung

Unzertrennliche Bande und herausfordernder Alltag.

Geschwisterkinder von Kindern mit Behinderung und schwerer Erkrankung

Wenn ein Kind schwer erkrankt oder behindert ist, nimmt das sehr viel Raum im Familienalltag ein. Hat es ein oder mehrere Geschwister, machen sich die Eltern häufig Sorgen, dass das gesunde Kind ins Abseits gerät. Das suggeriert auch der häufig verwendete Begriff „Schattenkinder“ – doch dieser Umkehrschluss kann so pauschal nicht erfolgen.

In dem Dokumentarfilm „Unzertrennlich“ (Mindjazz Pictures, 2018) begleitet Regisseurin Frauke Lodders vier Familien, bei denen ein Kind eine unheilbare Erkrankung oder Behinderung hat. Es gelingt ihr, sehr persönliche Einblicke in ihren Alltag und ihre Gefühlswelt zu geben. Neben den Eltern kommen auch die Geschwister zu Wort. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die Erfahrungen sind. Manche der Kids übernehmen viel Verantwortung für ihr krankes oder behindertes Geschwisterkind. Sie werden selbst zu jungen Pflegenden, auch „young careres“ genannt. Einige Kinder leiden unter der schwierigen familiären Situation, aber sie wachsen auch daran. Und es ist zu spüren, wie ungeheuer groß die Verbindung zwischen ihnen ist.

Natürlich gibt es auch bei diesen besonderen Geschwistern Konflikte und Rivalitäten, die die Eltern zulassen sollten. Es stellt einen Unterschied dar, ob ein jüngeres Geschwisterkind in die Situation hineingeboren wird oder die Erkrankung plötzlich über die Familie hereinbricht. In jedem Fall ist es von Bedeutung, das gemeinsame Gespräch zu suchen und möglichst offen alle Fragen zu beantworten und über Ängste zu sprechen. So können kindgerechte Borschüren über die Erkrankung oder Kinderbücher über Behinderung und „Anderssein“ beim Erläutern helfen. Tipps und Unterstützung erthalten Eltern bei speziellen Beratungsstellen, z. B. der Lebenshilfe e. V.

Selbsthilfe, Austausch und Vernetzung

Die Erfahrung „Ich bin nicht alleine, anderen geht es wie mir“ ist sehr wichtig, wenn die Schwester oder der Bruder schwer behindert oder lebensverkürzt erkrankt sind. In fast jeder größeren Stadt gibt es für Geschwisterkinder Vereine und Selbsthilfegruppen, die offene Treffs oder gemeinsame Unternehmungen anbieten. Eine Übersicht über Geschwisterkinderangebote findet sich unter www.stiftung-familienbande.de. Bei solchen Treffen können sich die betroffenen Kinder und Jugendlichen austauschen. Dort muss sich niemand erklären und der Rückhalt in dieser Gemeinschaft trägt dann auch in schweren Zeiten. Außerdem können die Geschwister hier auch Freunde finden, die in ähnlichen familiären Konstellationen leben, und einfach gemeinsam Spaß haben. Auch im Internet finden sich viele Angebote zur Vernetzung, u. a. auch für erwachsene Geschwisterkinder (www.geschwisternetz.de).

Regelmäßig an Geschwisterveranstaltungen des Deutschen Kinderhospizvereins e. V. nimmt auch Marian Grau teil, inzwischen ist er sogar Botschafter des Vereins. Sein an Morbus Leigh erkrankter älterer Bruder Marlon verstarb, als er selbst neun Jahre alt war. Ihm widmet der Blogger und junge Autor sein erstes Buch „Bruderherz. Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“ (Eden Verlag, 2018). Darin erzählt der heute 17-jährige, wie viel er von Marlon gelernt und er ihn geprägt hat. Daneben berichtet Marian, wie seine Eltern sich Mühe gaben, dass er nicht zu kurz kam – trotz der lebensverkürzenden Stoffwechselerkrankung seines Bruders. So unternahm seine Mutter regelmäßig mit ihm gemeinsame Abende zu zweit – wertvolle Mama-Sohn-Zeit, die zeigt: „Du bist wichtig!“, auch wenn manchmal was dazwischenkam. Die ganze Familie fuhr auch regelmäßig ins Kinderhospiz nach Olpe, um sich gemeinsam zu erholen.

Auszeiten und Unterstützung

Neben Kinderhospizen bieten auch Einrichtungen wie die Familienherberge Lebensweg in Illingen-Schützingen Familien die Chance, zusammen Urlaub zu machen im Wissen, dass das pflegebedürftige Kind mit dabei und gut versorgt ist. Außerdem gibt es auch für Kinder Kurzzeitpflegeeinrichtungen, damit die Eltern auch als Paar etwas unternehmen können oder nur einmal Zeit für das Geschwisterkind haben. Im Alltag können familienentlastende Dienste, Verhinderungspflege oder Betreuungs- und Entlastungsleistungen helfen, sich Freiräume zu schaffen. (Einen Überblick gibt es u. a. hier: www.pflege-dschungel.de)

Ein Beitrag von Verena Niethammer

Foto: pixabay.com