Ein Pilgerweg für alle

Auf dem Camino Incluso der SRH Stephen-Hawking-Schule

1. Etappe: Von Bensheim-Auerbach nach Beedenkirchen

Der Camino Incluso ist ein barrierefreier, internationaler und interreligiöser „Pilgerweg für alle“. Über eine Länge von 84 Kilometern führt der Weitwanderweg von Bensheim bis Heidelberg. Er ist aus einem Schüler*innenprojekt der SRH Stephen-Hawking-Schule heraus entstanden. Momo berichtete bereits im vergangenen Sommer über das pädagogische Konzept und die geplante Eröffnung im Frühling 2020. Wegen der Corona-Pandemie wird sie verschoben. Pilgerkästchen, -stempel und -bücher stehen schon bereit, Infos zu Infrastruktur und Kontaktdaten ebenfalls. Da der Weg bereits ausgezeichnet ist, empfehlen die Schüler*innen gerade jetzt eine Wanderung.

Rollstuhlfahrer*innen und eingeschränkte Fußgänger*innen des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums in Neckargemünd pilgern schon seit sechs Jahren.

Gleichzeitig prüfen sie die Wegbeschaffenheit, stellen sich mutig Steigungen von bis zu 17 Prozent, testen die Infrastruktur vom Gasthaus über den öffentlichen Nahverkehr bis zum barrierefreien WC. Gelbe Pilgerbeutel, von der Projektgruppe gestaltet und vom Odenwaldklub angebracht, kennzeichnen den Weg. So „wuchs“ der Camino Incluso, der Weg, der alle Menschen einbezieht und zudem zum pfälzischen und badischen Jakobsweg führt, heran. Die sechs Etappen durch den Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald sind auch als Tagestouren interessant.

Los geht‘s mit Etappe 1: Die erste Etappe geht über 11 Kilometer und ist eine Bergetappe. Die Schüler*innen schätzen den Weg als mittel bis sehr schwierig ein. Sie raten, im Team von drei Fußgänger*innen und einer Rollstuhlfahrer*in unterwegs zu sein. Seile im Gepäck sind hilfreich, weil man damit den Rollstuhl absichern oder ziehen kann. Für die unterschiedlichen Fortbewegungsarten und -mittel sind weitere Streckenvarianten auf der Website www.camino-incluso.de beschrieben. Thema dieser ersten Etappe sind „Steine“: im Felsenmeer, in Formationen, in Sagen und als Mahnung, sich gedanklich zu „bewegen“.

Erfreulich ist die Ankunft am Start in Bensheim-Auerbach: Der Bahnhof ist dank erhöhtem Bahnsteig, Rampen und Aufzug barrierefrei. Der Pilgerweg führt eben über „Stolpersteine“ an der Synagoge in der Bachgasse vorbei. Die Synagoge ist eine der wenigen jüdischen Gotteshäuser, die während des Zweiten Weltkriegs nicht zerstört worden sind.

Im evangelischen Gemeindehaus wird den Pilger*innen ein Raum der Stille angeboten. Ein Pilger*innenempfang kann nach Voranmeldung organisiert werden.
Weiter geht es ansteigend zum Fürstenlager, wo man sich über die Ortsgeschichte informieren und unter Schatten spendenden Bäumen verweilen kann. Nach dem See befindet sich auf der rechten Seite das einzige barrierefreie WC bis Beedenkirchen. Von dort steigt der Weg mäßig bis steil zwischen Apfelbäumen bis zur Anhöhe am Rastplatz Hermann-Schäfer-Eiche an.

Nächstes Highlight ist die Lichtung am Garten der Freiheit (www.friedensmal.de). Das Friedensmal ist nach Jerusalem ausgerichtet und öffnet den Blick ins „kleine Jerusalem“, in die Rheinebene nach Worms. Diese Stadt ist, ebenso wie Mainz und Speyer, als mittelalterliche Geburtsstätte des europäischen Judentums bedeutsam. Durch eine Hohlgasse gelangen die Pilger*innen zur Schutzhütte Selterswasserhäuschen, einem früheren Kiosk. Achtung: Diese Hohlgasse ist witterungsabhängig für Rollstuhlpilger*innen nicht immer befahrbar.

Weitere 150 Meter steil bergauf (11 Prozent Steigerung, für 10 Meter 17 Prozent), dann vorbei am sagenumwobenen Teufelsstein, kommt man auf einem kurzen Abstecher von 150 Metern (Gefälle 5 bis 8 Prozent) zum Waldgasthaus Am Borstein. Achtung: Wochenend-Pilger*innen sollten hier den Abstieg nach Reichenbach nehmen und mit dem Bus zurück nach Bensheim fahren, da der Zielort Beedenkirchen nur mit dem Schulbus erreichbar ist. Gestärkt geht es auf dem Camino zunächst leicht ansteigend, dann eben weiter, bis ein Meer aus Steinen „auftaucht“ (www.felsenmeer-zentrum.de). Im Odenwälder Felsenmeer sind unzählige Werkstücke von römischen Steinhauern zu entdecken. Der Weg durchs Felsenmeer ist eben und breit.

Nach zwei Kilometern ist das Ziel erreicht: Beedenkirchen. In der evangelischen Kirche gibt es den zweiten Pilgerstempel, -infos und das -buch, nach Anmeldung einen Pilgersegen von Pfarrer Engelbrecht. Das gesamte SRHSchulen-Team wünscht viel Spaß und Einkehr beim Pilgern. Zur Pflege des Pilgerwegs bitten die Schüler*innen um ein Feedback an die E-Mail-Adresse pilgerweg.shs@srh.de.

 

Text und Fotos: SRH Schule

Gelber Beutel, Birne oder Pilgermuschel?

Gelber Beutel, Birne oder Pilgermuschel?

Schüler der SRH Stephen-Hawking-Schule gestalten einen Pilgerweg

Über einen „ominösen gelben Beutel“ als Wegzeichen wunderten sich Wanderer in Heidelberg und im westlichen Odenwald. Sie befanden sich auf einem neuen Pilgerweg von Bensheim bis nach Heidelberg, der im Rahmen eines Projekts der SRH Stephen-Hawking-Schule entsteht und schon jetzt ausprobiert werden kann. Offiziell soll er im Frühjahr 2020 eröffnet werden.

Erfreut darüber, dass einige Menschen dieses Wegzeichen entdeckt haben und sich für das Projekt interessieren, berichteten Schüler*innen und Lehrkräfte der Klasse 9.3 des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in Neckargemünd in der Gemeinde Abtsteinach über die Entwicklung dieses Pilgerwegs. Das Geheimnis um den „gelben Beutel“ war schnell gelüftet: Es handelt sich um ein Säckchen, das früher die Jakobspilger*innen statt eines Rucksacks unter ihrem Umhang trugen.

Dieses Pilger-Accessoire, das die Schüler*innen neben Stöcken, Stempeln, Stempelkästen und Pilgerpässen selbst herstellten, gestalteten sie als Zeichen für den Weg. Mit dem so entstandenen Aufkleber versieht der Odenwaldclub die von den Schüler*innen ausgewählten Etappen, die auf bereits bestehenden Wanderwegen verlaufen. Dieses gut erkennbare Zeichen ermöglicht es, sich auf einen fremden Weg einzulassen, dem eingeschlagenen Weg zu vertrauen. Das gibt Freiraum für anderes.

Das Leben und Lernen im schulischen Kontext ist oft schwierig, da es festgefahren und zu komfortabel sein kann. Manchmal „steckt man fest“. Der Reiz des Pilgerns liegt in der Herausforderung, dem Verlassen der Komfortzone.

Der CAMINO INCLUSO geht auf ein Schüler*innenprojekt einer 8. Klasse in der SRH Stephen-Hawking-Schule zurück. In dieser Altersstufe beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der viel Selbstständigkeit verlangt, das Loslassen von Gewohntem und bisher Verlässlichem. Aber auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben braucht es Vertrauen und neue Verlässlichkeit. Wo geht das besser als beim Pilgern? So kam die Idee auf, sich statt in die Schule für eine Woche auf den Weg zu machen. Ein Ziel haben; einen Weg haben; ein Zeichen haben, dem man folgen kann; gemeinsam unterwegs sein; ankommen; wieder aufbrechen; Herausforderungen annehmen; loslassen; wenig – nur absolut notwendiges Gepäck – mitnehmen; sich auf das Wesentliche konzentrieren; persönliche, prägende Begegnungen erfahren; draußen in der Natur sein; für sich sein; in Rhythmus kommen; durchhalten; Abschied nehmen und an einem Ziel ankommen.
2014 wurde im Rahmen einer Klassenfahrt das Pilgern ausprobiert. Dabei entstanden Kontakte zu Gemeinden und Pfarreien entlang der Strecke. In Projektarbeit wurden Wegabschnitte, Unterkünfte, Gasthäuser sowie der ÖPNV mit Schüler*innen erprobt und mit Rollstuhlfahrer*innen auf Barrierefreiheit überprüft. Die Etappen wurden detailliert beschrieben.

Der Weg, der sich am Jakobsweg orientiert, führt von Bensheim-Auerbach in den Odenwald und über dessen Höhenzüge bis nach Heidelberg. Er führt über sechs Etappen zu je 11 bis 15 km bei einer Gesamtlänge von 84 km. Da bei der Konzeption die Barrierefreiheit, insbesondere der Zugang mit dem Rollstuhl und Handbike, im Vordergrund stand und zwischen Darmstadt und Heidelberg der Jakobsweg nicht historisch belegt ist, ist der CAMINO INCLUSO ein eigenständiger Pilgerweg und Zubringer zum pfälzischen und badischen Jakobsweg.

Er soll ein Weg FÜR ALLE sein: Das meint nicht nur unterschiedliche körperliche Voraussetzungen, sondern auch unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich der Religion oder der Spiritualität. In der Natur begegnet der*die Pilger*in vorchristlichen heiligen Wäldern und Quellen, weiten Wiesen und Ausblicken sowie dem eiszeitlichen Felsenmeer. Daneben bieten christliche Kirchen, die Auerbacher Synagoge, Stolpersteine, das christlich-jüdische Friedensmal und ein buddhistisches Kloster einen Ort der Möglichkeit zu Rast und Meditation. Die Pilger*innen können sich dort in den Kirchen und in zwei Pilgerherbergen ins Pilgerbuch eintragen und per Stempel in ihrem Pilgerpass das Erreichen der Etappe bestätigen lassen. Auf Anfrage erteilen die Pfarrer der Gemeinden einen Pilgersegen.

Für dieses Pilgerprojekt erhielten die Schüler*innen einen Preis des deutschen Wanderverbandes. Die SRH Stephen-Hawking-Schule unterstützt das Projekt der Klasse und wird den Pilgerweg voraussichtlich im Frühjahr 2020 offiziell eröffnen. Eine Idee der Schüler*innen FÜR ALLE ist das Probepilgern!

Einfach dem Zeichen folgen und Fotos und Eindrücke vom Weg schicken an: pilgerweg.shs@srh.de.