Dass ich im Rollstuhl sitze, interessiert hier niemanden

Luisa besucht als Rollstuhlfahrerin das Gymnasium

Luisa ist 16 Jahre alt und besucht seit Beginn des Schuljahres die SRH Stephen-Hawking-Schule. Sie ist Bewohnerin des dazugehörigen Internats. Die stets fröhliche Schülerin macht aktuell ihren Hauptschulabschluss. Dafür hat sie unter anderem ein Praktikum im Bereich Marketing und Kommunikation absolviert. Ihr Berufswunsch ist es in diesem Bereich tätig zu sein.

In ihrer Freizeit malt Luisa sehr gerne und schreibt Gedichte und Geschichten. Für die aktuelle MOMO-Ausgabe hat sie über sich und ihr Leben im Internat der SRH Stephen-Hawking-Schule geschrieben.

Das Alltagsleben für Luisa als Rollstuhlfahrerin gestaltet sie kreativ

Mein Name ist Luisa, ich sitze von Geburt an im Rollstuhl und kann nicht selbst sprechen, wie es andere können, aber das macht nichts, denn ich habe seit dem Kindergarten einen Sprachcomputer, auch Talker genannt. Diesen steuere ich mit meinen Augen. Mit dem Talker kann ich alles sagen und machen, was ich möchte. Schreiben, Musik hören und das Beste ist, ich kann mit dem Paint-Programm meine Bilder malen. Das ist ein großes Geschenk für mich, denn wenn ich mit ihm nur sprechen könnte, wäre das ziemlich öde.

Malen bedeutet für mich, frei zu sein. Wenn ich male, fühlt es sich so an, als ob ich ganz normal wäre. Deswegen ist Malen das Liebste, was ich mache.

Außerdem liebe ich es draußen mit meinem E-Rollstuhl herumzufahren, zum Beispiel in den Wald oder an den Fluss. Meinen Rollstuhl lenke ich mit dem Kopf. Wenn ich meinen Kopf nach links drücke, fährt der Rollstuhl nach links, rechts und geradeaus funktionieren genauso. Wenn ich rückwärtsfahren möchte, tippe ich einfach auf eine Taste, die auf meinem Tisch befestigt ist und mache dann den Kopf nach hinten. Ich liebe es, durch Wasser, Pfützen, durch den Schnee oder durch den Matsch zu fahren.

Luisa bewältigt ihren Alltag mit Rollstuhl

Unter der Woche lebe ich im Internat der SRH Stephen-Hawking-Schule. Es gefällt mir dort sehr gut. Ich habe mein eigenes Zimmer und viele Möglichkeiten und Freiräume. Mit meinen Freunden oder auch allein fahre ich mit dem Bus irgendwo hin und wir unternehmen etwas.

Auf dem SRH Bildungscampus kann ich mich frei bewegen, ohne dass mich die Menschen anstarren oder Angst bekommen. Es kam schon vor, dass andere Menschen dachten ich wisse nicht was ich tue und die Polizei gerufen haben. Das nervt mich sehr, weil ich ganz genau weiß, was ich mache und wo ich bin. Das Verstehen aber leider nicht alle und ich verstehe das nicht. Im Internat und auf dem gesamten Campus der SRH Schulen GmbH interessiert es niemanden, wenn jemand im Rolli allein herumfährt. Hier werden alle so angenommen und wertgeschätzt, wie sie sind. Genau das genieße ich so.

Mein größter Wunsch ist es, wenn ich erwachsen bin, eine Weltreise mit meinem E-Rollstuhl zu machen. Es geht ja auch mit dem Fahrrad, warum dann nicht auch mit dem Rollstuhl? Für mich gibt es keine Hindernisse, denn was ich mir in meinen Kopf gesetzt habe, das mache ich auch.

Infokasten:

Die SRH Stephen-Hawking-Schule in Neckargemünd ist ein SBBZ mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. In elf Bildungsgängen von der Grundschule bis hin zum Gymnasium ermöglichen wir bestmögliche Schulabschlüsse. Das dazugehörige Internat ist weit mehr als ein Ort des gemeinsamen Lebens und Lernens. In einem familiären Umfeld wird für die körperbehinderten und nicht behinderten Schüler ein vertrauensvolles Zuhause geschaffen und zur selbstständigen Gestaltung ihrer Lebenswelt angeleitet. Wohlfühlen, Sicherheit und die Erfahrung von Gemeinschaft liegt ihnen dabei besonders am Herzen.

Text: SRH Schulen GmbH

Foto: Foto von Luisa & gemaltes Bild (Ente) von Luisa, anderes Foto: SRH Schulen GmbH

Mein erster Tauchgang im Rollstuhl

Hallo, mein Name ist Justin Blum, und vielleicht kennt man mich schon aus dem Bericht, den meine Mutter in einer der vorherigen Ausgaben geschrieben hat. Jedoch möchte ich mich nochmal kurz vorstellen. Ich bin Justin, 20 Jahre alt und vor vier Jahren mit dem Motorrad verunglückt. Seitdem sitze ich mit einer Querschnittslähmung im Rollstuhl, spiele Tennis und studiere Medizin.

Seit zwei Jahren fahre ich mit meiner Familie an die Ostsee in den Campingurlaub. Dort habe ich zum ersten Mal erfahren, dass es einen Tauchlehrer gibt, der mit Handicap-Personen tauchen geht. Das fand ich sehr interessant, denn trotz des Querschnitts bin ich immer noch sehr aktiv. Kurzerhand lernte ich Peter, Tina und Kevin Lange kennen und mir wurde das Angebot gemacht, in deren Tauchschule einen Kurs zum Schnuppertauchen zu absolvieren.

Leider konnte dieser wegen gesundheitlicher Probleme nicht stattfinden; daher haben wir ihn auf dieses Jahr verlegt. So trafen wir uns im Juli zum Tauchen. Bevor es ins Wasser ging, wurde mir die ganze Ausrüstung erklärt sowie die Kommunikation unter Wasser.

 

Ich muss sagen, bei der Einführung war ich gar nicht so nervös wie gedacht. Ein bisschen flau im Magen war mir schon, da ich seit meinem Unfall nicht mehr im Wasser war, aber sonst ging es wirklich. Früher war ich aktiver Rettungsschwimmer bei der DLRG und ich habe das Wasser geliebt. Nun wusste ich nicht genau, wie ich das Wasser einschätzen soll.

Wir gingen gemeinsam mit der Ausrüstung ins Schwimmbad. Dort angekommen wurde ich in einem speziellen Rollstuhl ins Wasser gehoben, bis ich langsam von ihm abtrieb. Peter hat mich dann zu sich geholt und mich zur Gewöhnung erst einmal auf das Wasser gelegt und ein bisschen bewegt. Auf sein Geheiß wurde ich dann von der Rückenlage auf den Bauch gedreht, um mich an das Atmen unter Wasser zu gewöhnen. Es war wirklich ein freies Gefühl, auf dem Wasser zu treiben. Mithilfe von Gewichten an dem Tarierjacket wurde ich dann auf den Grund des Beckens gelegt. Peter schwamm neben mir und nach einer kurzen Zeit zeigte er auf einen Ring am anderen Ende des Beckens, wo ich nun hindurchtauchen sollte.

Ob das klappte? Und wie. Ich bin einfach mit der Kraft meiner Arme durch den Ring hindurchgetaucht. Ich habe mich unter Wasser so frei und wohl gefühlt, dass ich kurzzeitig die Bindung an den Rollstuhl vergessen habe. Wir drehten dann ein paar Bahnen im Becken, bis ich mich dann auf den Rollstuhl am Grund setzen sollte. Peter warf mir dann immer wieder einen kleinen Torpedo unter Wasser zu, damit ich mich nicht mehr so auf die Atmung konzentriere und den Tauchgang einfach genießen konnte.

Das Tolle war, dass mein Vater sich in der Zeit auch eine Taucherausrüstung angelegt hatte und mit mir zusammen tauchen konnte. Wir haben dann noch ein paar Runden gedreht, bis ich merkte, dass mir kalt wurde, und so bin ich dann aus dem Wasser geholt worden. Wieder in der Tauchschule zurück überreichte mir Peter dann die Urkunde für den Schnupperkurs, den ich erfolgreich abgeschlossen hatte. Somit ging ein wirklich sehr schöner Tag mit einer mega neuen Erfahrung für mich zu Ende.

An dieser Stelle möchte ich nochmals der Familie Lange danken dafür, dass sie mir dieses Erlebnis möglich gemacht hat, und kann jedem nur empfehlen, tauchen zu gehen, auch wenn man wie ich im Rollstuhl sitzt. Geht nicht gibt’s nicht – und man wird es auf keinen Fall bereuen. Das Gefühl von Freiheit und Schwerelosigkeit ist einfach unfassbar. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Urlaub und hoffe, dass wir dann auch mal im Meer tauchen können.


Steckbrief

Peter Lange ist Herausgeber verschiedener Publikationen, u. a. Magazin Barrierefrei, Momo – Mobilität & Motion, handicap.life. Er ist Fachexperte bei der Stiftung MyHandicap sowie Handicap-Tauchlehrer.


 

Text: Justin Blum
Fotos: Privat Fam.

Sicher durch den Skatepark

Sicher durch den Skatepark

Vielen Skatern, egal ob mit oder ohne Handicap, begegnet die Frage, ob der Sport nicht gefährlich ist oder sie Angst haben, sich zu verletzen. Das Risiko im WCMX ist nicht höher als beim Skateboard- oder BMX-Fahren. Wenn man hinfällt, steht man wieder auf und ist motiviert, den Trick das nächste Mal „zu stehen“, wie Skater sagen – das heißt, bei einem Trick nicht hinzufallen. Das ist genauso wie in jeder anderen Skatesportart auch.

Auf die richtige Ausrüstung kommt es an. Wo zum Einstieg am Anfang ein einfacher Fahrrad- oder BMX-Helm, Ellenbogen- und Knieschoner ausreichen, sollte es später bei größeren Tricks und größeren Sprüngen ein Fullface-Helm sein. Bei manchen gefährlicheren Tricks sollte man auch einen Rücken- sowie einen Nackenprotektor tragen, so zum Beispiel beim Backflip, einem coolen Rückwärtssalto im Rollstuhl. Sportler wie Aaron Fotheringham aus den USA und der Deutsche Philipp Cierpka mussten lange für solche spektakulären Sprünge üben. Durch die richtige Schutzausrüstung können sie uns heute zeigen, wie cool man die Schwerkraft überwinden kann. Natürlich ist hier auch das Sportgerät von entscheidender Bedeutung. Wo am Anfang ein normaler Alltagsstuhl reicht, um lässig im Skatepark zu carven und die Rampen hoch und runter zu sausen, sollte man bei größeren Drop-ins und Backflips einen gefederten Skaterollstuhl nutzen. Immer gut durch einen Gurt mit dem Sportgerät verbunden, kann so auch bei großen Tricks das Risiko minimal gehalten werden.

Der Skaterollstuhl – gefedert, stabil, cool. Ein Skaterollstuhl unterscheidet sich von einem „normalen“ Aktivrollstuhl dadurch, dass dieser einen speziell verstärkten und gefederten Rahmen hat. Diese Rollstühle kommen zum Beispiel von Firmen aus den USA, Großbritannien oder aus dem fernen Brasilien. In Deutschland fahren die meisten Rollstuhlskater einen Skaterollstuhl aus Brasilien. Die sogenannten Jumper-Rollstühle sehen nicht nur cool aus, sondern rollen auch besonders leicht.

Wenn auch du lernen willst, wie du dich sicher im Skatepark bewegen kannst, und coole Tricks auch für den Alltag lernen möchtest, dann komm zu einem der Events im nächsten Jahr vorbei. Der Fachbereich WCMX des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes plant dafür bereits jetzt Veranstaltungen in Skateparks in ganz Deutschland.

Weitere Infos unter www.wcmxgermany.de oder bei Fachbereichsleiter Patrick Krause

info@wcmxgermany.de / Tel. 0157 74880445

Text: Patrick Krause
Fotos: DRS_Eike Michler, Anna Spindelndreier

Paraskate 2019 WCMX World Competition: DREI Weltmeister aus Deutschland

DREI Weltmeister aus Deutschland

Voller Erfolg bei der Paraskate 2019 WCMX World Competition in Köln

Vom 31. August bis zum 1. September fand in Köln die 5. WCMX Weltmeisterschaft statt. In fünf Divisionen (D1–D5) ermittelten die 42 gemeldeten Rollstuhlskater aus neun Nationen die besten Fahrer unter den Augen vieler begeisterter Zuschauer im Kölner Skatepark North Brigade und weltweit zuhause vor dem Livestream.

Natürlich ließ Weltstar Aaron „Wheelz“ Fotheringham, Erfinder des Sports, es sich nicht nehmen, seinen bisher unumstrittenen Weltmeistertitel in der höchsten Division zu verteidigen, und reiste zur ersten Weltmeisterschaft außerhalb der USA nach Deutschland an. Erwartungsgemäß lieferte er eine spektakuläre Show ab und zeigte als Einziger bei der WM den Backflip (Rückwärtssalto), mit dem er WCMX weltweit berühmt gemacht hatte. Leider verletzten sich David Lebuser (Deutschland) und Nemanja Radicevic (Serbien) im Training und konnten Wheelz somit nicht noch mehr Konkurrenz in der Division 1 bieten. Aaron gewann erneut und bleibt somit der „All-time Champion“.

Doch auch in den anderen Divisionen gerieten die Zuschauer ins Staunen. Bei den Frauen (Division 2) setzte sich Lily Rice aus Großbritannien durch und wurde Weltmeisterin. In Division 3, Fortgeschrittene über 16 Jahre, mit den meisten deutschen Fahrern gewann der Kölner Timon Luu das größte Starterfeld mit neun Teilnehmern.

Besonders herausragend waren jedoch vor allem die Leistungen der Teilnehmer unter 16 Jahren. Während Til Augustin, deutscher Meister 2018 in D5 und 2019 in D3, gegen seine beiden Konkurrenten bei den Fortgeschrittenen in Division 4 gewann, setzte sich der achtjährige Tom Brimacombe in der Kids Division (D5) gegen sieben weitere Starter aus dem In- und Ausland durch und gewann die Weltmeisterschaft.

Mit Tom Brimacombe (D5), Til Augustin (D4) und Timon Luu (D3) dürfen sich nun also gleich drei weitere deutsche Athleten WCMX Weltmeister nennen. Zuvor brachte lediglich Philipp Cierpka aus Erfurt den Weltmeistertitel (D3) 2016 mit nach Hause. Damals wurde er von Headcoach Patrick Krause, Leiter des DRS-Fachbereichs WCMX und hauptverantwortlicher Organisator der Paraskate 2019, trainiert, der besonders stolz auf die immer weiter steigende Zahl deutscher Nachwuchsskater ist.

Der Fachbereich WCMX sowie der gesamte DRS sind als Veranstalter stolz auf diese gelungene Meisterschaft, die den Zuschauern harte Wettkämpfe mit atemberaubenden Tricks, großartigen sportlichen Leistungen aller Teilnehmer und einer ausgelassenen Stimmung bot. Diese Stimmung wurde nach den Wettkämpfen an beiden Tagen in das Veranstaltungszelt getragen, wo alle noch gemeinsam bei den Partys feierten.

Für Interessierte durfte natürlich auch bei der Paraskate 2019 ein Workshop mit den internationalen Stars nicht fehlen, so dass man am Samstagvormittag vor den Qualifikationsläufen die Möglichkeit hatte, WCMX unter professioneller Anleitung auszuprobieren.

Die diesjährige WCMX Weltmeisterschaft war rundum eine sehr gelungene Veranstaltung, die mit Sicherheit als ein unvergessliches Ereignis in die Geschichte dieses Sports eingeht.

Die Ergebnisse können auch unter wcmxgermany.de/paraskate2019/ eingesehen werden.

Weitere Infos unter www.wcmxgermany.de oder bei Fachbereichsleiter Patrick Krause [info@wcmxgermany.de / Tel.: 0157 74880445]

 

Text: Timon Luu
Fotos: DRS_Eike Michler, Anna Spindelndreier