Was macht eigentlich Sonea?

Sonea liebt die Eiskönigin, alles, was glitzert und pink ist. Einhörner, Elfen und Meerjungfrauen findet sie mindestens genauso toll. Und manchmal taucht sie selbst ab in wunderbare Fantasiewelten.

Ihre Fantasie löst in mir sowohl ein Gefühl totaler Faszination und Begeisterung aus als auch hin und wieder eines grenzenloser Genervtheit. Wenn mal wieder ihr ganzes Zimmer auf den Kopf gestellt wurde, weil in ihrem Playmobil-Krankenhaus eine komplizierte Operation durchgeführt wird, es um Leben und Tod geht und die Spritze unauffindbar ist. Oder wenn sie mal wieder ein „magisches Buch“ bastelt und der ganze Boden voller Papierschnipsel liegt.

Sonea liebt es aber auch, bei lauter Musik zu tanzen und mitzusingen. Tanz- und Singlehrerin möchte sie irgendwann einmal werden. Und ich denke jedes Mal: Zum Glück hat sie noch ein bisschen Zeit, ihre Wünsche zu überdenken. Viele Berufswünsche hatte sie schon: Ärztin wollte sie werden, bei McDonald‘s oder im Kindergarten arbeiten. Letzteres könnte ich mir sogar richtig gut vorstellen.

Sie wird ihren Weg gehen, davon bin ich fest überzeugt. Auch wenn ihr Weg sicherlich steiniger und beschwerlicher sein wird als der vieler anderer. Die meisten haben bislang gar nicht erst gewagt, ihn zu gehen. Andere sind leider nach einer Weile gescheitert, am Inklusions-Pfad.

Nachdem wir fünf Jahre turbulente Grundschulzeit hinter uns gelassen und diesen Weg immer wieder hinterfragt hatten, wagten wir im Sommer trotzdem, den nächsten steilen Gipfel zu erklimmen.

Inklusion ist immer noch nicht so selbstverständlich, wie sie in der heutigen Zeit eigentlich sein sollte. In den letzten Jahren haben wir oft gehadert, weil Sonea nicht gerne in die Schule gegangen ist. Den Grund dafür konnten wir nie wirklich herausfinden. Wir haben uns oft gefragt, ob Überforderung oder Ausgrenzung der Grund sein könnte. Aber wahrscheinlich war es einfach die Summe vieler Faktoren.

Einer davon war, dass Sonea sein möchte wie alle anderen. Selbstbestimmt und ohne Schulbegleitung, die sie nun mal hat. Sonea hat das Down-Syndrom, und auch wenn es nur eines von sehr vielen Merkmalen ist, die sie ausmachen, und obwohl es in unserem Familienleben schon sehr lange keine zentrale Rolle spielt, kann es manchmal echt nerven.

Genauso wie die Pubertät, in der Sonea inzwischen mit beiden Beinen steckt. Stimmungsschwankungen, plötzliche Wutausbrüche, andere veräppeln oder nachäffen sind gerade an der Tagesordnung – wie bei so vielen anderen Familien mit fast zwölfjährigen Töchtern auch. Da sind sie einfach alle gleich, egal wie viele Chromosomen sie haben.

Trotz vieler Sorgen und Bedenken fühlt sich die Entscheidung für die weitere Inklusion an einer Gesamtschule bis jetzt genau richtig an. Heute erst hat Sonea eine 3+ in ihrer Deutscharbeit mit nach Hause gebracht. Sie hat die gleiche Arbeit geschrieben wie alle anderen Kinder in ihrer Klasse und die Arbeit wurde auch genauso bewertet wie alle anderen.

Wir sind alle mächtig stolz auf sie und es erleichtert mich wirklich sehr zu sehen, wie gerne sie aktuell in die Schule geht. Trotzdem blicke ich sorgenvoll in die Zukunft. Das Gelingen und die Selbstverständlichkeit von Inklusion hängen von so vielen Faktoren und Menschen ab. Bislang hatten wir immer großes Glück und viele engagierte Menschen um uns herum, die die Inklusion mit viel Herz vorangetrieben haben.

Sonea ist ein selbstbewusstes, willensstarkes Mädchen. Sie lässt sich nicht so schnell die Butter vom Brot nehmen oder einschüchtern. Und ich hoffe, sie schafft es, sich das zu bewahren. Wir werden sie natürlich auf ihrem Weg begleiten, aber wir können sie nicht immer beschützen.

Ich bewundere sie für ihre Gabe, im Hier und Jetzt zu leben. Was gestern war und was morgen sein wird, beschäftigen sie nicht. Außer es stehen tolle Ereignisse an wie zum Beispiel ihr Geburtstag. Den plant sie schon Monate im Vorfeld sehr akribisch und weiß ganz genau, was sie will.

Manchmal wünsche ich mir auch ein bisschen, mehr wie Sonea zu sein.

Fotos: Privat Fam. Weides
Text: Katharina Weides